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Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)

Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)

Titel: Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Jacobs
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abrufen, desto stärker bleibt sie im Gedächtnis haften. Geschehnisse jüngeren Datums haben viel weniger Zeit, in den Gehirnstrukturen Spuren zu hinterlassen.
    In Großvaters Fall läuft das Ribotsche Gesetz darauf hinaus, dass seine Besucher im Wesentlichen mit ihm in Erinnerungen schwelgen. Womit ich persönlich gut leben kann, auch wenn ich manche Geschichten bestimmt schon ein Dutzend Mal gehört habe.
    Heute dreht sich das Gespräch um das Zwergkrokodil, das Großvater meiner Tante Kate schenkte, als sie noch klein war. Es lebte in der Badewanne, bis es irgendwann einen Besucher biss und daraufhin dem Bronx Zoo vermacht wurde.
    Jemand erwähnt Ägypten und bringt Großvater damit auf seine Lieblingsgeschichte über Afrika. Ich kenne sie so gut, dass ich sie im Chor mit ihm erzählen könnte. 1959 war mein Großvater an der Organisation des sogenannten »Airlift to Amerika« beteiligt. Ziel dieser Luftbrücke war es, Hunderten kenianischer Studenten eine akademische Ausbildung in den USA zu ermöglichen, um sie auf spätere Führungspositionen in ihrem Heimatland vorzubereiten. Großvater sammelte dafür in New York Spenden. Irgendwann beschloss er spontan, nach Kenia zu fliegen, um sich selbst vor Ort ein Bild zu machen und mit seinem Erfahrungsbericht die Spendenbereitschaft zu beflügeln.
    Am Ende ging alles so schnell, dass er sich noch nicht einmal mehr impfen lassen konnte. Also nahm er eine Spritze und ein kühl zu haltendes Impfserum mit ins Flugzeug. In Nairobi vergaß er es dann im Hotelkühlschrank. »Und da liegt es wahrscheinlich noch heute«, sagt er immer, wenn er die Geschichte erzählt.
    Im Jeep rumpelte er über unbefestigte Straßen und verbreitete die Nachricht von der Luftbrücke in den Dörfern. Bei einer örtlichen Auktion wurde er stolzer Besitzer einer Ziege – und stiftete sie umgehend für einen guten Zweck.
    Großvater schrieb nach Hause, die Reise sei »die großartigste Erfahrung meines Lebens. Der Stellenwert, den Bildung für diese Menschen hat, lässt sich gar nicht in Worte fassen«.
    Gemeinsam mit den anderen Organisatoren sammelte er so viele Spenden, dass 800 Studenten in gecharterten Flugzeugen von Nairobi nach New York reisen konnten. Einer dieser Studenten wohnte während seines Wirtschaftsstudiums an der Columbia University bei meinen Großeltern in Riverdale. Weil mehr junge Kenianer in den USA studieren wollten, als Platz in den Flugzeugen war, vergab die Stiftung später auch zahlreiche Einzelstipendien. Einer der Stipendiaten kam so an die University of Hawaii. Sein Name: Barack Obama senior.
    Mein Großvater, der immer schon Anhänger der Demokratischen Partei war, bekommt heute noch feuchte Augen, wenn Barack Obama junior im Fernsehen eine Rede hält. Es muss ein unglaubliches Gefühl sein, so eng mit der Geschichte seines Landes verwoben zu sein. 2009 schrieb Tom Shachtman ein Buch mit dem Titel Airlift to America . Großvater hat es immer im Wohnzimmer auf dem Couchtisch liegen.
    Vielleicht gehe ich jetzt ein bisschen weit, wenn ich mich frage, ob diese Afrikareise – und überhaupt sein ganzes Engagement für wohltätige Zwecke – nicht ein weiteres Geheimnis seiner Langlebigkeit ist. Zahlreiche Studien kommen zu dem Schluss, der Einsatz für eine gute Sache sei gut für die Gesundheit.
    Eine Untersuchung des Mental Research Institute in Palo Alto ergab, dass beim Spenden das Belohnungszentrum im Gehirn aufleuchtet – eine neuronale Reaktion, die als Helper’s High bezeichnet wird. Und laut einer Studie der Johns Hopkins University aus dem Jahr 2004 verlangsamt ehrenamtliche Tätigkeit den geistigen und körperlichen Alterungsprozess: Soziales Engagement bringt mehr mentale und physische Herausforderungen mit sich. Und die halten jung.
    Als mein Großvater die Obama-Geschichte zu Ende erzählt hat, schaue ich auf die Uhr auf meinem Handy. Ich muss los.
    »Kann ich dich irgendwohin mitnehmen?«, fragt Großvater.
    »Wohin willst du denn fahren?«, fragt Jane.
    Er überlegt. »Dahin, wo ich hergekommen bin.«
    »Du bist den ganzen Tag hier gewesen«, sagt Jane. »Du wohnst hier, das ist dein Zuhause.«
    »Ach«, sagt Großvater. »Stimmt.«
    Der Nebel hebt sich, zumindest für einen Moment, und Großvater reckt mir die Faust zum Abschiedsgruß entgegen.
    Check-up: Monat 11
    Ich war wieder beim EHE -Diagnosezentrum, um mich ein weiteres Mal auf Herz und Nieren untersuchen zu lassen. Denn inzwischen hat Project Health mehr oder weniger die Halbzeit erreicht.

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