Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Sonne starren. Supergesund. Vor allem für die Augen.
Andererseits ist Marti ihrer Umwelt nicht selten um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte voraus. Sie warnte uns schon vor den Gefahren des Passivrauchens, als diese noch fast flächendeckend als alarmistisches Geschwätz abgetan wurden. Sie propagierte den gesundheitlichen Nutzen vegetarischer Ernährung, lange bevor Mainstream-Ernährungsberater dazu übergingen, eine überwiegend pflanzliche Ernährung zu empfehlen. Sie sieht mit ihren 62 Jahren aus wie 42. Und in den letzten acht Jahren war sie kein einziges Mal krank.
Na dann – los geht’s! Wir fangen in der Küche an. Auf der Spüle steht eine Flasche antibakterieller Flüssigseife mit Erdbeerduft.
»Bloß nicht«, sagt Marti. »Alles, was ›antibakteriell‹ auf dem Etikett stehen hat, ist Gift. Stell dir einfach einen Schädel und zwei gekreuzte Knochen unter dem Markennamen vor.« Das Triclosan in antibakteriellen Produkten beeinflusst nach Ansicht vieler Experten das Hormonsystem und löst Allergien aus. Marti rät uns, Bioseife auf Pflanzenbasis zu kaufen.
Als Nächstes sind die Putzmittel unter der Spüle an der Reihe. Marti greift zu unserem Badreiniger, riecht kurz am Inhalt der Flasche – und zuckt zurück, als sei ihr Verwesungsgeruch in die Nase gestiegen. »Ich hol mal eben mein Oregano.« In ihrem Rucksack führt sie immer ein Fläschchen Bio-Oreganoöl mit sich. Nun tupft sie sich ein paar Tropfen auf die Handgelenke, um den Frontalangriff unseres Badreinigers auf ihren Geruchssinn abzuwehren. Essig und Soda reichen als Putzmittel völlig aus, sagt sie.
In der Art geht es eine geschlagene Dreiviertelstunde weiter.
Meine Sonnencreme und mein Deodorant sind giftig. Sie enthalten Parabene, die den Hormonhaushalt durcheinanderbringen und krebserregend sind.
In normalen Läden gekaufte Kleidung wird vom Hersteller grundsätzlich chemisch imprägniert, weshalb ich meine Sachen durch solche aus Hanf, Bambus oder Biobaumwolle ersetzen sollte.
Als Marti unseren Plastikduschvorhang mit den Keith-Haring-Motiven erblickt, entfährt ihr ein Schrei des Entsetzens: Er besteht quasi einzig und allein aus Phtalaten. Sie stehen im Verdacht, Leberkrebs auszulösen und die Spermienproduktion zu vermindern.
Wenn wir eine Mikrowelle benutzen, können wir unseren Söhnen genauso gut geladene Pistolen unter ihre Kopfkissen legen.
Und unser Kühlschrank ist eine einzige Sondermülldeponie. »Oh Gott! Das ist Kindesmisshandlung!«, ruft Marti, als sie unsere chemieverseuchten, orangefarbenen Supermarkt-Scheibletten sieht.
Im Gemüsekühlfach findet sie Gurken und Heidelbeeren aus konventionellem Anbau. Beim konventionellen Anbau werden Pestizide eingesetzt, die von ADHS bis Krebs so ziemlich alles verursachen können.
»Aber ihr habt wenigstens kein WLan , oder?«
Kleinlaut muss ich ihr widersprechen.
»Das ist genauso, als hättet ihr einen Mini-Mobilfunkmast mitten in der Wohnung stehen!«
Sie erzählt von einer kanadischen Studie, die zu dem Schluss kam, WLan beeinträchtige das Wachstum von Eschen. Marti hält Elektrosmog für ein bislang völlig unterschätztes Gesundheitsrisiko. WLan ist natürlich der Horror, doch sogar altmodische Elektrokabel geben schädliche Strahlung ab, sagt sie. Bei sich zu Hause hat sie eigens jemanden dafür engagiert, ihre sämtlichen Kabel – Computer, Telefon, Drucker – hinter Zwischenwänden verschwinden zu lassen.
Weiter geht’s ins Wohnzimmer. Sie wirft einen Blick unter den Schirm unserer Stehlampe. Dort erblickt sie erwartungsgemäß eine von diesen Fusilli-artig gedrehten Energiesparlampen. »Die geben kleine Mengen Quecksilberdampf an die Umgebung ab. Ihr müsst sie auf dem Sondermüll entsorgen.«
»Ich hab die Lampe gekauft, weil ich dachte, sie sei umweltfreundlich.«
»Kauft euch LED -Leuchten.«
Sie deutet auf einen kleinen Rosenstrauß, den ich Julie zu unserem Hochzeitstag geschenkt habe.
»Die sind giftig. Blumen aus konventionellem Anbau werden mit allen möglichen Pestiziden besprüht.«
»Was ist mit den Gesundheitsbehörden? Schützen die uns denn nicht?«
»Die hinken doch der Wissenschaft um Jahre hinterher. Kannst du dich noch an die Zeit erinnern, in der Rauchen behördlicherseits als völlig unbedenklich bezeichnet wurde? Damals hieß es sogar, Rauchen sei gut für die Nerven.«
Julie kommt in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen.
»Ich hoffe nur, dass A. J. mich jetzt nicht auch ausrangiert.«
»Hast du Metallfüllungen?«, fragt
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