Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Health, and Our Toxic World .
Hat sich sein Leben nach diesem Projekt verändert?
»Bei den meisten Toxinen bin ich ziemlich fatalistisch«, sagt er. »Niemand weiß, ab wie vielen Teilen pro Milliarde sie gefährlich werden. Und selbst wenn wir es wüssten: Wir könnten nichts machen. Es gibt kein Entkommen. So gut wie alle standardmäßig verwendeten Chemikalien lassen sich weltweit in lebenden Organismen nachweisen, in den Eisbären am Nordpol genauso wie in den Pinguinen am Südpol.«
Hat seine jahrelange Recherche ihn zu konkreten Verhaltensänderungen veranlasst?
»Auf zwei Dinge achte ich inzwischen.«
Erstens ist er sich mittlerweile der Tatsache bewusst, dass Fisch gefährliche Mengen Quecksilber enthalten kann. Er isst nur noch kleine Fische und Meeresfrüchte, die eher am Anfang der Nahrungskette stehen – zum Beispiel Krebse und Garnelen –, weil die weniger Quecksilber aufnehmen als große Raubfische wie Thunfisch und Speerfisch.
Zweitens wird er im Leben keinen Plastikbehälter mehr benutzen, um etwas in der Mikrowelle zu erhitzen.
»Aber man könnte auch sagen, dass ich mit meiner Haltung Teil des Problems bin und nicht Teil der Lösung. Es muss auch so radikale Chemiegegner wie Ihre Tante geben. Wir dürfen Chemikalien einfach nicht mehr so sorglos verwenden wie bisher.«
Im Grunde läuft alles auf die Notwendigkeit hinaus, Nutzen und Gefahren mutmaßlich gesundheitsschädigender Produkte möglichst sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Um jedes gesundheitliche Risiko zu vermeiden, könnte ich natürlich in Zukunft auf ein Mobiltelefon verzichten. Aber was ist mit dem ganzen Stress, den ein handyloses Leben für mich zur Folge hätte? Womöglich würde ich dann daran eines frühen Todes sterben. Letztlich muss jeder für sich selbst entscheiden, mit welchem Risikomix er/sie am besten leben kann.
Genau das habe ich inzwischen getan und, ausgehend von topaktuellen Forschungsdaten sowie Tipps führender Toxikologen, meine höchstpersönliche Checkliste für den Umgang mit diesem Themenkomplex zusammengestellt. Sie finden sie in Anhang G.
Check-up: Monat 12
Gewicht: 72,1 kg (900 g zugenommen – warum?)
Blutdruck: 100/69 mmHg
Fitness-Studio-Besuche in diesem Monat: 15
Rotweinkonsum seit Jahresbeginn: 87 Flaschen
Konsum des dunkelroten, antioxidantienreichen sardischen
Rotweins, dem die Sarden angeblich ihre hohe Lebens-
erwartung verdanken: 1 Flasche
Aktueller Gemütszustand: selbstgefällig. Das hatte ich befürchtet. Ich kämpfe dagegen an, doch ich spüre, dass sich die Entwicklung nicht aufhalten lässt. Ich werde zum Gesundheits-Fundamentalisten.
Dasselbe passierte mir in meinem Bibeljahr. Nach ein paar Monaten verspürte ich eine große Gottgefälligkeit, und ein heiliger Zorn kam über mich, als ich der Sünden auf Erden gewahr wurde. Und wann immer ich eine Vanity Fair durchblätterte, musste ich die Augen schließen ob der Wollust und Hurerei allüberall.
Und nun bin ich also gesünder als all die Gesundheitsignoranten und Pharisäer um mich herum. Ich verbringe viel zu viel Zeit damit, über meine Mitmenschen zu urteilen. Ich weiß, dergleichen ist widerwärtig und wahrscheinlich auch ungesund – doch zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass ich ständig mit massiven Verstößen gegen die Heiligen Gebote der Gesundheit konfrontiert bin.
Neulich sah ich auf der Straße einen Mann, der gerade eine Tüte Nachos öffnete. Offenbar war er der Ansicht, es sei unzumutbar anstrengend, die Finger zum Einsatz zu bringen, um die dreieckigen Chips zum Munde zu führen. Er steckte einfach das Gesicht in die Tüte und fing an zu futtern – wie ein Pferd, das seinen Futtersack umgehängt bekommen hat. Bald darauf tauchte er wieder auf, um Luft zu holen, die Wangen mit orangefarben fluoreszierendem Pulver bedeckt. Ich musste die Augen abwenden.
Einige Zeit später machte ich eine Laufrunde um den Wasserspeichersee im Central Park. Dabei überholte ich zwei offensichtlich europäische Touristen, die Gitanes rauchend einherschlenderten und Läufer wie mich ohne Unterlass ihren Rauchwölkchen aussetzten. Als ich an ihnen vorbei war, drehte ich mich um und starrte sie so feindselig an wie damals wahrscheinlich die Nachbarn das Gretchen, als ruchbar wurde, dass sie ein uneheliches Kind erwartete.
Manchmal kann ich meine neue Selbstgefälligkeit auch schlicht nicht verbergen. Heute Morgen zum Beispiel, als Julie ihr Knuspermüsli aß.
»Und? Wie schmecken die leeren Kalorien?«, fragte
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