Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
mit den Füßen, denn diese Körperpartie birgt ein riesiges, gleichwohl oft übersehenes Gesundheitsrisiko. Schätzungen zufolge ziehen die Amerikaner sich jährlich circa neun Millionen Fußverletzungen zu. Und mit zunehmendem Alter dürfen sie sich obendrein auf zunehmende Fußprobleme freuen. Die Füße kriegen nämlich ganz schön was ab. Selbst ein fauler Amerikaner umrundet im Laufe seines Lebens einmal die Erde.
In der Menge entdecke ich McDougall, einen großgewachsenen Mann, der seine Vibrams am Bund seiner waldgrünen Shorts stecken hat. Ein lila Durag bedeckt seinen kahlen Schädel. Ich stelle mich vor. Er ist herzlich, offen – und nicht weniger überrascht als alle anderen, dass sein »Nischenbuch«, wie er es nennt, seit der Erstveröffentlichung 2009 fast eine Million Mal verkauft wurde und sogar eine neue Bewegung ins Leben gerufen hat. Der Grundgedanke von Born to Run ist simpel: Die Evolution passte die Füße perfekt an die Erfordernisse des Barfußlaufs an, schließlich bewegten die Menschen sich jahrtausendelang barfuß fort. Doch dann begann die Ära der Fußgefängnisse, auch »Schuhe« genannt. In den siebziger Jahren erklärte ein bekannter Sportschuhhersteller weiche Polsterungen zum Nonplusultra und machte damit alles noch viel schlimmer. Denn anstatt den Fuß wie versprochen vor Verletzungen zu schützen, hatten die Polsterungen den gegenteiligen Effekt: Sie brachten uns dazu, beim Laufen hart auf der Ferse aufzusetzen und so Knie und Schienbeine über Gebühr zu belasten. Die perfekten Läufer hingegen, die McDougall in seinem Buch vorstellt – die Tarahumara, ein Stamm, der in den Copper Canyons Mexikos beheimatet ist –, haben beim Laufen einzig und allein schmale dünne Gummistücke an den Füßen.
Vor ein paar Monaten kaufte ich mir Vibrams. Als ich damit nach Hause kam, warfen Julie und die Jungs sich erst mal weg vor Lachen darüber, wie ich in den Dingern aussah.
»Der arme Ashton Kutcher. Er kann sie nicht tragen«, sagte Julie und zeigte mir die Passage der Gebrauchsanweisung, in der darauf hingewiesen wird, dass Vibrams für Schwimmfüße ungeeignet sind. Offenbar hat Ashton Kutcher Schwimmfüße. Das Wissen meiner Frau im Bereich Popkultur ist unerschöpflich.
Inzwischen bin ich ein paarmal mit meinen Vibrams gelaufen, bin aber noch unschlüssig, ob ich sie wirklich besser finde als normale Laufschuhe. Sie haben eindeutig ihre Vorteile: Die Gummisohlen sind so dünn, dass man glatt meinen könnte, man liefe barfuß durch New York. Vibrams-Träger können mit den Zehen die Beschaffenheit der Bordsteinkante erspüren – ein ebenso befreiendes wie urkomisches Gefühl, das gleichzeitig etwas von einem Tabubruch an sich hat. Barfuß! In der Stadt! Das ist so, als würde die Columbus Avenue direkt ins heimische Schlafzimmer führen. Oder sich auf magische Weise in einen Karibikstrand verwandeln.
Und, auch nicht unwichtig: Bisher habe ich es weder mit Blasen noch mit rostigen Nägeln zu tun bekommen.
Auch beim heutigen Barfußlauf trage ich die Vibrams. Ich wünschte zwar, ich könnte McDougall-mäßig als Purist auftreten, aber ich bin bekanntlich Keimphobiker und will daher jeden direkten Kontakt zwischen meinen Füßen und dem Bürgersteig vermeiden. Da sind Vibrams immer noch die beste Lösung.
McDougall versammelt uns um sich und hält einen kleinen Einführungsvortrag in Sachen Lauftechnik. Er erklärt uns, dass wir behutsam auf dem Fußballen aufsetzen und mit der Ferse nur zart den Boden streicheln sollen.
Und bitte nur kleine Schritte, sagt er. Normale Laufschuhe mit ihren kissenartigen Polsterungen verführen dazu, große Schritte zu machen, weil die Fersen beim Auftreten nicht schmerzen. Trotzdem ist der menschliche Körperbau dafür nicht gemacht. Auch sollen wir versuchen, federnd zu laufen und dabei die Knie möglichst hochzuziehen, anstatt hart aufzustampfen.
»Stellt euch vor, ihr habt Pancakes auf den Oberschenkeln und wollt sie wenden, indem ihr die Knie hochzieht«, sagt McDougall.
Und, wahrscheinlich am wichtigsten: Wir sollen ganz in der Freude aufgehen, die das Barfußlaufen mit sich bringt.
Solchermaßen instruiert traben wir los. Zuerst auf der 125th Street Richtung Westen, vorbei an Läden und Straßenhändlern, die Bob-Marley-Plakate verkaufen. Wir sehen ein bisschen seltsam aus, wie wir so versuchen, die imaginären Pancakes auf unseren Oberschenkeln zu wenden – ein Anblick, der den Passanten nicht entgeht.
»Zieht euch Schuhe an, ihr
Weitere Kostenlose Bücher