Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Eisbad nehmen. Ich finde es schrecklich, dass mein Verlies keinen Laufbandschreibtisch hat – aber immerhin schlottere ich vor Kälte.
Übrigens habe ich mich trotz dieser arktischen Arbeitsbedingungen nicht erkältet. Was mir durchaus logisch scheint. Immerhin hat Benjamin Franklin schon vor über zwei Jahrhunderten darauf hingewiesen, dass Erkältungen nichts mit Kälte zu tun haben.
Doch der ganze Rest der Familie ist erkältet. Lucas, Zane, Jasper, Julie – alle schniefen und schnaufen und husten. Ich bin der Einzige, der ohne Neti-Kännchen auskommt.
Es ist kein Vergnügen, von unleidlichen Kranken umgeben zu sein. Lucas tut mir besonders leid, er tropft wie diese nervtötende Klimaanlage eine Etage über uns.
Gleichzeitig verspüre ich einen Hauch von klammheimlicher Selbstzufriedenheit. Dieses ganze Zeug, das ich mit mir anstelle – mehr Sport, weniger Stress, die richtige Ernährung –, vielleicht hilft das ja wirklich. Vielleicht fühlt sich Gesundsein so an, wie es mir gerade geht. Vielleicht hat mein überaus gastliches Immunsystem endlich eine strenge Einlasskontrolle eingeführt. Womöglich steht mein Leben vor einer Zeitenwende.
KAPITEL 15
Die Lunge
Alles über die Kunst des Atmens
Es ist Samstag, und wir fahren mit unseren Kindern nach South Street Seaport, um Körperwelten anzuschauen. Das ist diese berühmte Wanderausstellung, die Plastinate echter Körper in diversen Positionen zeigt. Einige Exponate sind in Scheiben aufgeschnitten wie Roastbeef im Feinkostladen. Andere Körper sind ohne Haut in majestätischen Posen zu sehen: ein Fußballer im Moment des Ballkontakts, ein Dirigent bei der Arbeit.
Die Ausstellung ist anschaulicher, als ich vermutet hatte. Vielleicht ein bisschen zu anschaulich für unsere vierjährigen Zwillinge. Vielleicht auch ein bisschen zu anschaulich für mich. In einem Glaskasten ruht ein winziger Beckenknochen; er sieht aus, als stamme er von einem höchstens sechs Monate alten Kind.
Die Frau neben mir späht in den Glaskasten, entdeckt die knöchernen Überreste und sagt allen Ernstes: »Ach, ist das süß!« Ich finde das nicht süß. Ich finde das grauenhaft. Der Anblick erinnert mich an Casper , das freundliche Gespenst – und eine der abstrusesten Comic- beziehungsweise Filmfiguren überhaupt. Seine Schöpfer haben sein schreckliches Schicksal nämlich schlicht übertüncht. Aber wie könnten wir vergessen, dass ein Kind sterben musste, um diesen putzmunteren Poltergeist zu erschaffen?
Glücklicherweise reagieren meine Söhne auf die Ausstellung nicht sonderlich verstört. Am interessantesten finden sie einen riesigen transparenten Plastikcontainer, der hüfthoch mit weggeworfenen Zigarettenschachteln gefüllt ist. Sie finden die vielen Farben und Muster große Klasse.
Neben dem Container steht ein Schild mit einem Warnhinweis: Jede Schachtel Zigaretten verkürzt Ihr Leben um drei Stunden und 40 Minuten .
Die Raucher unter den Ausstellungsbesuchern werden dazu animiert, ihre Schachteln in den Containerschlitz zu stecken und sich so ein bisschen Lebenszeit zurückzuholen. »Warum rauchen Leute eigentlich?«, fragt Jasper, als wir in den nächsten Ausstellungssaal gehen.
»Weißt du noch, wie sehr Zane an seinem Schnuller gehangen hat?«, sagt Julie. »Zigaretten sind dasselbe für Erwachsene. Man fühlt sich gut dabei, und der Mund hat auch was zu tun. Außerdem ist Rauchen angeblich entspannend.«
Was erzählt sie denn da? Da kann sie gleich hinzufügen, dass Tabak angenehm kühl schmeckt, ganz wie die Luft in den Rocky Mountains.
Ich werfe ihr einen warnenden Blick zu. »So schmackhaft musst du es ihnen nicht unbedingt machen.«
»Ja, stimmt, das war jetzt ein bisschen unglücklich formuliert«, sagt sie.
Für jemanden, der gegen Rauchen eine so heftige Aversion hat wie Julie, war das eine wirklich erstaunlich tabakfreundliche Antwort auf Jaspers Frage. Wenn wir eines Tages Marlboros in den Hulk-Rucksäcken unserer Söhne finden, weiß ich jedenfalls, wer daran schuld ist.
In diesem Monat steht für mich die Lunge auf dem Programm. Ohne dieses Organ, das etwa fünf Kilo schwer, von über 2400 Kilometern Atemwegen durchzogen und mit 500 Millionen Lungenbläschen gefüllt ist, würde ich gar nicht erst dazu kommen, mir über meine anderen Körperpartien Gedanken zu machen.
In letzter Zeit habe ich viel über das Rauchen gelesen. Fast wünschte ich, ich hätte mal geraucht. Dann hätte ich es im Zuge von Project Health aufgeben und
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