Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Sauerstoff wie möglich einzuatmen und dann in vier kurzen Atemzügen noch mehr Sauerstoff in die Lunge zu pressen. (In diesem Zusammenhang hier ein Sicherheitshinweis, der zwar inflationär eingesetzt wird, mir in diesem Fall jedoch wirklich am Platze scheint: Probieren Sie diese Technik bitte nicht auf eigene Faust aus.)
Ich kannte Blaine bereits von einem Interview, das ich für Esquire mit ihm geführt hatte. Vor dem Termin war ich ein wenig skeptisch gewesen, doch er entpuppte sich als ebenso charmanter wie kluger Gesprächspartner. Außerdem ist er ein manischer Gesundheitsapostel. (Hier sein – von mir mehrfach getestetes – Frühstückssaftrezept: »Zwei Knoblauchzehen, Pak Choi, Grünkohl, Wirsing, Spinat, eine halbe rote Bete, ein halber Apfel, zwei Zitronen und Cayennepfeffer«.)
Im Eingangsbereich von Blaines Büro steht ein Motorrad. Sein Reich ist mit riesigen Plakaten des Entfesselungskünstlers Harry Houdini dekoriert. Als ich zur Tür hereinkomme, telefoniert Blaine gerade. Er führt ein Routinegespräch über einen bevorstehenden Auftritt. »Das ist bestimmt das letzte Mal, dass ich Glas esse«, sagt er. »Ich hab’s meiner Verlobten versprochen. Es richtet einfach Wahnsinnsschäden an, schneidet mir in den Magen, macht den Zahnschmelz kaputt. Bis dann«, sagt Blaine und legt schließlich auf.
Er bietet mir ein faustgroßes Stück rohen Ingwers an, weil der Darmkrebs und Entzündungen vorbeugen soll. Es wäre unhöflich von mir, es abzulehnen.
»Kauen Sie jeden Bissen, bis kein Saft mehr drin ist, und spucken Sie den Rest aus«, sagt er. Mit seinen zahnschmelzlosen Zähnen beißt er kräftig von seinem eigenen Ingwerstück ab.
Ich frage ihn, wie ich meiner Lunge zu vorbildlicher Gesundheit verhelfen kann.
»Wenn Sie möglichst reine Luft atmen wollen, müssen Sie nach Tasmanien oder in die Antarktis ziehen. Falls das für Sie nicht machbar ist, legen Sie sich einen IQ Air-Luftreiniger zu. Den haben bei der Olympiade in Peking alle Sportler verwendet.«
Und was ist mit der Atemtiefe? Ich muss ja gar nicht eine Viertelstunde lang die Luft anhalten können. Aber ich würde gerne tiefer atmen.
Blaine atmet ein. »Spüren Sie, wie die Luft in Ihre Lunge strömt«, sagt er. Ich atme und spüre in mich hinein. »Und jetzt versuchen Sie zu spüren, wie die Luft in Ihren Magen strömt, in Ihre Schultern, überallhin.« Ich versuche, mir vorzustellen, wie sich mein Oberkörper mit Luft füllt. Ich halte sie einen Moment, dann atme ich aus. Blaine nicht.
»Und jetzt machen wir ein paar Dehnübungen«, sagt er.
»Wie schmeckt Ihnen der Ingwer?«, fragt er, während wir die Arme in die Höhe recken und langsam hin- und herbewegen. »Ist ganz schön heftig«, antworte ich. Er hat immer noch nicht ausgeatmet.
Bevor ich gehe, reden wir noch ein Weilchen über das Esquire -Interview. Und schließlich atmet Blaine wieder aus.
Sein Rat, möglichst den ganzen Oberkörper mit Luft zu füllen, hat mir gut gefallen. Doch ich will noch eine zweite Meinung einholen.
Die bekomme ich von einem Stimmtrainer namens Justin Stoney. Stoney sagt mir, ich solle mich auf dem Boden ausstrecken, die Hand auf den Bauch legen und spüren, wie er sich beim Einatmen hebt. »Sie müssen nicht bewusst einatmen«, sagte er, »wölben Sie einfach den Bauch nach außen. Dadurch entsteht ein Unterdruck, der die Luft von ganz allein in den Körper strömen lässt. Fürs Ausatmen lassen Sie die Bauchdecke wieder sinken.«
Diese Bauchatmung hat mein Leben verändert. Zwar nur ein bisschen, aber immerhin. Seit ich beim Laufen diese Technik anwende, schnaufe und keuche ich längst nicht mehr so viel wie früher, und mit dem unangenehmen Stechen in der Brust ist auch Schluss. Jetzt gerade, an meinem Laufbandschreibtisch, atme ich genau so: Ich wölbe den Bauch nach außen, bis er aussieht wie der von Marlon Brando gegen Ende seiner Karriere, und lasse ihn beim Ausatmen wieder einfallen.
Zen-Atmung
Ich kann meine Ausführungen zum Thema Atemtiefe unmöglich abschließen, ohne auf die Meditation einzugehen. Ebenso wie Yoga und Laissez-faire-Kapitalismus ist Meditation in der Mitte der Gesellschaft angekommen. US -Elitesoldaten meditieren im Lotussitz, das Gewehr auf dem Schoß, weil das inzwischen Teil ihrer Ausbildung ist. Mein mittlerweile sechsjähriger Sohn lernt in der Schule Atemübungen (allerdings mit Hilfe des nicht sehr mantramäßigen Spruchs »Schnupper, wie die Blume duftet – und dann blas die Kerze aus«). Der
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