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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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mehr. Da ist nur eine nackte Wand aus quaderförmigen Steinen. Was um alles in der Welt geht hier vor sich?
    »Du musst keine Angst haben«, sagt das bucklige Männlein und tätschelt meinen Arm. »Wir haben alle mal so angefangen.«
    »Wie angefangen?«, frage ich immer noch verwirrt.
    »Uns allen ging es so wie dir. Wir kamen von irgendwoher und blieben.« Das bucklige Männlein keckert vor sich hin und erinnert mich ein bisschen an Herrn Richter.
    »Ich bin übrigens Hagen«, sagt das Männlein.
    »Ach, der mit dem Modem.«
    »Einer von ihnen.«
    »Freut mich.«
    »Oh, mich auch.« Hagen verneigt sich.
    Ich muss, glaube ich, nicht extra erwähnen, dass man sich einen Mann, der Hagen heißt, anders vorstellt, ganz anders.
    Weil ich ja nun bleiben soll und auch muss, da der Fahrstuhl sich in Luft aufgelöst hat, nutze ich die Zeit und beobachte die anderen, die dastehen und noch nichts von sich gegeben haben außer einem einmaligen Murmeln. Ob es mehr Männer oder mehr Frauen sind, kann ich auf die Schnelle nicht erkennen. Jedenfalls sehen sie alle aus, als hätten sie sehr, sehr lange kein Tageslicht mehr gesehen. Ihre Gesichter sind blass und wirken wächsern, es ist wirklich so. Ich mag den Ausdruck
wächsern
nicht, wächsern
hört sich irgendwie so … also nicht lebendig … an … so … tot. So tot. Tot. So tot.
    Moment mal. Helene, reiß dich zusammen. Das ist ja hier kein Film, und hier steht auch nicht Mel Gibson mit seinem Gefolge vor dir. Das ist die Realität. Das darfst du auf gar keinen Fall vergessen. Die Situation ist zwar ein Stück weit skurril und auch surreal, weil es nicht alle Tage vorkommt, dass Fahrstühle verschwinden, aber du befindest dich im wahren Leben. Dass der mit der Zedernholzstimme Blut am Mund hat, ist auch ganz normal. Jeder hat mal Blut am Mund. Mir fällt zwar gerade niemand ein, den ich kenne, aber das wird noch kommen, auch wenn ich nicht weiß, wann. Tatsache ist, dass das hier alles Tatsachen sind. Was mache ich mich denn verrückt? Ich bin ein erwachsener Mensch von fast dreißig Jahren und stehe halt nun mal in einem Keller. Einer der Anwesenden heißt Hagen und befreit mit einem Kumpel Modems, die sich in der Elektrik verheddert haben. Wo ist das Problem? Es gibt keins. Gar keins. Hier ist niemand tot, bloß weil er einen wächsernen Gesichtsausdruck hat. Ich meine natürlich eine wächserne Gesichtsfarbe. Es ist alles, alles in Ordnung. Alles. Atme tief durch, Helene, und genieße einfach dein freies Wochenende. Dein Herz rast, ja, aber das ist unnötig. Es ist auch überhaupt nicht schlimm, dass sich links von dir zwei Leute von den Bahren erheben und auf dich zukommen. An ihnen läuft Blut hinunter, das ist doch total klasse. Und, bevor du’s vergisst, auch das ist normal. Sieh es einfach mal so, wie es ist: Es ist Freitagabend, du trägst feste Schuhe und hast deinen Heißwasserkocher und eine neue Clique, die es gut mit dir meint. Was heißt neu, es ist die erste Clique deines Lebens! Wer weiß, vielleicht endet dieser Abend mit dem Trällern eines Kanons, oder ihr spielt gemeinsam
Wahrheit oder Pflicht
. Es wird so schön, du musst es nur wollen.
    Und weil alles so schön ist, schreie ich: »Ich will hier weg! Ich will nach Hause!!!«, und dann renne ich zu der Steinwand in der Hoffnung, dass der Fahrstuhl Mitleid mit mir hat und wieder an
seinen Platz zurückkehrt, wenn er mich hört. Aber kein Fahrstuhl kommt, dafür legt sich eine Hand auf meine Schulter.
    »Es gibt keinen Grund, sich so aufzuführen.«
    »Keinen Grund?«, kreische ich hysterisch. »Was soll denn dieser Quatsch? Hören Sie auf, mir so einen Mist zu erzählen. Ich möchte gehen. SOFORT !« Es ist Zottel, wie ich bemerke, nachdem ich mich umgedreht habe. Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, bedrohe ich ihn mit dem Heißwasserkocher, was zugegebenermaßen mit Sicherheit mehr als lächerlich wirkt.
    Zottel ist irritiert. »Was hat sie denn?«, fragt er die anderen. »Hat ihr denn niemand was gesagt?«
    Nein, Zottel, mir hat niemand was gesagt. Was hätte man mir denn auch sagen sollen?
    Die Anwesenden schütteln den Kopf.
    »Dann ist sie also eine Updmenaem?«
    Nicken.
    »Ist das gälisch?«, frage ich verwirrt.
    »Wie?«, fragt der mit der Zedernholzstimme zurück.
    »Na, wegen Mel Gibson.«
    »Was?«
    »
Braveheart

    »Was?«
    Ich überlege fieberhaft. »
William Wallace!
Der, der gegen Edward the Longshanks gekämpft hat. So um Zwölfhundertnochwas.«
    »Ich verstehe nicht, meine

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