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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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Teuerste. Hier gibt es keinen Mel Gibson, wohl aber einen William Wallace. Und dieser hat sehr wohl gegen Edward the Longshanks gekämpft.«
    Ein Mann tritt vor.
    »William Wallace. Ihr ergebener Diener«, sagt er.
    Ich glaube, ich sterbe.

8

     
    »Warum ist sie denn umgefallen?«, höre ich von weit her. Es ist die Stimme einer Frau. Matt öffne ich die Augen und sehe, dass einige Leute über mir stehen und mich anglotzen.
    »Sie hat vielleicht nichts gegessen.« Ein Mann.
    »Huuuuuuuuuuuuuh!« Der Heuler.
    Jemand hilft mir auf. William Wallace. Wenn das Annkathrin wüsste! Wäre sie noch meine Freundin, dann könnte ich ihr das jetzt erzählen. Aber so hat sie selbst Schuld.
    »Ach je«, sagt die Frau, die schon sehr alt zu sein scheint, und fächelt mir mit dem Handrücken Luft zu. »Gebt ihr ein Stück vom luftgetrockneten Schinken!«
    Ich verstehe gar nichts. »Wieso luftgetrockneter Schinken? Ich möchte keinen Schinken. Ich möchte gar nichts.« Um ehrlich zu sein, habe ich überhaupt keinen Hunger. Warum kann ich nicht einfach ohnmächtig auf dem Steinboden liegen bleiben? Aber man scheint besorgt um mich zu sein. Ich wünsche mir Schnaps und einen Schlag auf den Hinterkopf und versuche, diese Wünsche zu verinnerlichen. Vielleicht werden sie dann ja Wirklichkeit.
    William Wallace beugt sich ebenfalls über mich. Er trägt einen Schottenrock. Er hat rote Haare, nein, eher rotblonde. Sie sind lang und filzig. Sein Vollbart auch. Und er hat eine ziemliche Wampe, die durch die Kleidungswahl ungünstig zur Geltung gebracht wird. Am herausragendsten sind seine leuchtenden blauen Augen. Er wirkt sehr kräftig und irgendwie authentisch. So, als habe er schon viel erlebt. Kämpfe geführt und gewonnen. Aber William Wallace ist doch schon seit mehreren hundert Jahren
tot. Und Tote tragen keine Karos, wie wir aus der Verfilmung mit vielen, vielen hochkarätigen Schauspielern wie Ava Gardner, Burt Lancaster und Rachel Ward, um nur einige zu nennen, wissen. Warum fallen mir eigentlich jetzt dauernd diese blöden Filme ein, die ich immer mit Annkathrin schauen musste?
    Lustig irgendwie. Gerade hab ich noch an
Braveheart
gedacht, und jetzt behauptet einer von diesen Knilchen hier, William Wallace zu sein. Aber ehrlich gesagt sieht eher Zottel aus wie William. Also wie der William in
Braveheart
. Also wie Mel Gibson. So ähnlich jedenfalls. Egal.
    Der angebliche William hilft mir auf. Er hat kalte Hände.
    »Hier, Kind, nimm ein Stück vom Schinken. Er schmeckt wirklich gut.« Die alte Frau nickt mir zu. Sie ist genauso blass wie alle anderen hier. Ich tippe, sie ist weit über siebzig. Vielleicht sogar schon Anfang achtzig. »Oder vielleicht einen Teller Graupensuppe?«
    Gleich übergebe ich mich. Graupensuppe sieht so aus, als hätte man Augen gekocht und mit ein bisschen Speisestärke vermischt. »Jetzt lasst sie doch erst mal zu sich kommen. Sie war doch gerade weggetreten.«
    Danke, Zottel.
    Der mit der Zedernholzstimme reicht mir eine Decke. »Du kannst dich da hinsetzen.« Er führt mich zu einer Bank.
    »Da trocknet man den Schinken monatelang, und dann will keiner was davon haben«, klagt die Frau. »Wozu macht man das denn? Dann hätte ich es auch bleiben lassen können.«
    »Sigrun, niemand hat dich gezwungen, Schinken luftzutrocknen. Es will auch niemand deinen getrockneten Fisch, auch wenn der auf der Insel, von der du kommst, eine Spezialität war. Wir mögen ihn nicht. Aber du machst doch sowieso, was du willst. Dann beschwer dich nicht im Nachhinein.« Der Bucklige.
    »Haltet jetzt mal alle eure Ränder«, herrscht der mit der Zedernholzstimme in die Runde und setzt sich neben mich auf die Holzbank.
    William Wallace kommt neugierig näher und begutachtet Omas Tracht. »Scheint mir ein guter Stoff zu sein«, sagt er. »Wolle?«
    »Ich weiß es nicht«, antworte ich matt. Mein Gott,
William Wallace
. Wenigstens bin ich bei diesem Film erst kurz nach dem zweiten Drittel eingeschlafen, und das auch nur, weil ich mir an Annkathrins Couchtisch den Fuß gestoßen hatte und das sehr schmerzhaft war. Nicht, dass der Schmerz mir was ausgemacht hätte, aber ich habe mich darüber geärgert, dass nichts gebrochen war, was sich hätte entzünden und zu einer Amputation hätte führen können oder zu Schlimmerem. Jedenfalls weiß ich deswegen ganz genau, wie die Handlungsstränge ablaufen. Ich entdecke auch in jedem Film Regiefehler, was mich rasend macht, und zwar aus dem Grund, weil ich es ein Unding finde, dass

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