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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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eigener Schlachterei und täglich frisch auf den Tisch.‹
Das war an unserem zehnten Hochzeitstag, und dann hat er mich verlassen. Wegen
ihr
. Du weißt schon, wen ich meine, ich spreche den Namen nun mal ungern aus. Und wenn ich allein an deine Zahnspange denke. Die erste hast du mutwillig kaputtgemacht, dann hat die Kasse die Kosten nicht mehr getragen, damals hab ich Bügelwäsche von Fremden angenommen, um die Klammer zu finanzieren. Und was ist der Dank? Du fährst mich noch nicht mal zu meinem Osteopathen.«
    »Mama, hilf mir«, krächze ich hilflos, obwohl alle nur blöd dastehen und mich angaffen wie ein Tier im Streichelzoo, das sich atypisch verhält.
    »Ach, papperlapapp, helfen. Hilf du mir! Ich werde sterben, weil ich auf vereister Straße … «
    »Mama, wir haben
Juni
. Da ist nichts vereist. Wann warst du eigentlich zum letzten Mal draußen?« Warum lasse ich mich auf diese Diskussion ein?
    »Seitdem dieses neue Virus grassiert, gehe ich am liebsten gar nicht mehr raus. Ach so … «, Themenschwenk, wie immer nach einiger Zeit. »Was ist eigentlich eine Salvatorische Klausel?«
    O bitte, das jetzt nicht auch noch! Die Frau, die mich zur Welt gebracht hat (»Neunundsiebzig Stunden hat das gedauert. Ich bin dabei fast hopsgegangen! Mein Geburtskanal war danach weit wie die Serengeti, das Kind hatte so einen großen Kopf!«), schnappt gern in Zeitungen oder im Fernsehen willkürlich etwas auf, das sie nicht versteht, aber unverzüglich von mir erklärt bekommen möchte.
    »Mama!«, kreische ich jetzt. »Ich weiß nicht, was eine Salvatorische Klausel ist, und es ist mir auch scheißegal. Ich habe Angst. Meine Kehle ist sozusagen ausgedörrt!« Es stimmt. Die Spezies macht mir Todesangst.
    »Gut, dass du es ansprichst. Weißt du, wie viele Trinkflaschen dir kaputtgegangen sind und wie hoch dein Verschleiß an Saugern war, weil du immer drauf rumgekaut hast? Ständig hattest du Durst!«
    »Hör auf, hör endlich auf!«, brülle ich weiter, da legt sich eine Hand auf meine Schulter. Angstvoll schieße ich herum. Ich weiß nicht, ob ich erleichtert oder vor Angst gelähmt sein soll, weil es Hubertus ist. Er macht eine Handbewegung, dass ich ihm das Handy geben soll, was ich automatisch tue, weiß der Geier warum.
    »Guten Abend, gnädige Frau«, sagt er höflich, man hört meine Mutter etwas von teuren Büchern keifen, die ich zerrissen habe, aber er unterbricht sie und sagt: »Sie wollten Informationen zur Salvatorischen Klausel? Gern. Also: Das ist eine im Rahmen der Vertragsfreiheit der Parteien vereinbarte Vertragsklausel, die bestimmt, dass der Vertrag im Ganzen gültig bleiben soll, wenn einzelne Regelungen im Vertrag ganz oder teilweise ungültig sind. Darüber hinaus werden häufig die allgemein geltenden Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung in die Salvatorische Klausel aufgenommen, nach denen sich das Recht bestimmt, das an die Stelle einer ungültigen oder lückenhaften Regelung tritt. Eine solche Klausel ist streng genommen überflüssig, wird aber zur Klarstellung oft in den Vertrag eingefügt. Haben Sie das verstanden? Nicht? Warum denn nicht? … Ach so. Ja … ich verstehe … nein, ich kann Sie leider nächste Woche auch nicht chauffieren … « Er sagt wirklich
chauffieren
! » … leider habe ich schon anderweitige Verpflichtungen. Wie bitte? Wer soll was gesagt haben? ›Warum rülpset und furzet ihr nicht, hat es euch nicht geschmacket?‹ Ja, ja, das war ganz sicher Luther, obwohl viele behaupten, Goethe sei es gewesen. Der gute Jockel hat sich immer darüber aufgeregt. Was? Ach so, ja, ich hab immer Jockel zu ihm gesagt … nun, er war ein guter Freund. Ich durfte damals sogar in Weimar bei ihm wohnen, weil ich keine Bleibe hatte. Seine Mutter? Ach so, Frau Aja, die hat ihn immer Hätschelhans genannt, das ist korrekt. Gewiss, gewiss, kurios, kurios … Ja … nein … Ihnen auch. Sicher, auf Wiederhören und noch einen schönen Abend.«
    Er gibt mir das Handy zurück, und während meine Mutter noch herumkrakeelt, drücke ich den Aus-Knopf. Hoffentlich ruft sie
nicht gleich wieder an. Aber ich glaube es nicht, meine Mutter ist sehr kostenbewusst und telefoniert sehr ungern vom Festnetz aufs Handy. Ich bekomme das auch immer vorgeworfen und Telefonrechnungen präsentiert. Als ob ich sie jemals darum gebeten hätte, mich anzurufen.
    Und dann beantwortet Hubertus meine Frage, die ich noch gar nicht gestellt habe: »In den Jahrhunderten lernt man viel. Ich glaube, es ist nun an

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