Saugfest
telefonieren, eine CD wechseln, Glasreiniger suchen, den Beifahrersitz verstellen, damit der Fahrgast es im Fond bequemer hat, mit dem Beifahrer über die Wegführung streiten, dem ungebildeten Fahrgast erklären, dass das auf der CD nicht Mozart, sondern Mussorgsky ist, das Schiebedach öffnen, sich vom Fahrgast anhören, dass seine Ehe auch schon mal besser gelaufen ist, das Portemonnaie vom Fahrgast entgegennehmen, weil der seine Brille nicht dabeihat und die Scheine nicht zuordnen kann, und dann auch noch fahren. Das soll mir bitte mal jemand vormachen, und das habe ich dem Richter auch genau so erklärt. Kilian Stuhlmüller. Dieser Idiot. Meine Fahrerlaubnis wurde einbehalten, und ich musste auch noch siebzig Stunden gemeinnützige Dienste ableisten, und zwar in einem Tierheim, wahrscheinlich wegen der Hunde. Kilian Stuhlmüller hatte sadistische
Züge, da bin ich sicher. Er hat sich richtig gefreut, mir das aufzubrummen.
Hätten wir doch schon den nächsten Namen.
Also, Friederike Nummer vier und Kilian Nummer fünf.
Ich finde, so kann es weitergehen. Beschwingt kaue ich wieder auf der Feder herum. Die Entscheidungen fallen mir schwer.
Es gibt doch so verdammt viele Leute, die ich auf den Tod nicht ausstehen kann.
13
Sich rächen zu können, also das ist ein Gefühl, das mit Worten nicht zu beschreiben ist. Noch räche ich mich ja nicht, aber ich wurde dazu aufgefordert, es zu tun, und das ist fast noch besser als die Rache selbst. Ich könnte Stunden damit verbringen, darüber nachzudenken, wen ich als Nächstes auf die Liste setze, ich grüble, schreibe etwas auf, verwerfe es dann wieder, grüble weiter und werde dabei bestens mit Met versorgt, was mir ein sehr warmes Gefühl im Magen und auch sonst beschert. Ich darf also zehn Leute herholen, die den Rest ihres kümmerlichen Lebens in einer Gruft – ob hier oder anderswo, das wird individuell entschieden – verbringen müssen. Diese zehn Menschen werden gebissen und zu Vampiren gemacht, so haben Hubertus und William es mir erklärt. Ob das stimmt oder nicht, darüber denke ich jetzt nicht nach, die beiden sind wohl einfach derzeit etwas verwirrt. Oder sie wollen mich bloß schützen mit solchen Falschaussagen, um mich zu beruhigen über diese ganzen Sachen, die ich sowieso nicht verstehe. Was soll man schon von dem Gefasel von Systemadministratoren halten? Eben. Nichts. Gar nichts.
Die Weißhemden kichern vor sich hin – sie sitzen nun alle im Schneidersitz vor meinem Laptop und schauen einen Film nach dem anderen. Gerade wird ein neuer eingelegt, und auf einmal kichern sie nicht mehr. Ich schaue kurz hin, es ist
Der kleine Vampir
. Rüdiger von Schlotterstein saust mit wehendem Umhang einen langen, nur durch Flackerlicht beleuchteten Flur entlang und stößt dabei unverständliche Laute aus.
Sigrun steht auf. »Wieso haben wir nicht solche Kleidung?«, will
sie erzürnt von Hubertus wissen, der beschwichtigend beide Hände hebt. »Diese kleinen Wesen da tragen bestes Tuch, und wir? Raues Leinen, wenn’s hochkommt.«
»Ich habe immer gesagt, dass ich euch was nähen kann«, sagt William.
»Von Schottenröcken war nie die Rede«, Sigrun wird giftig. »Ich mache mich doch nicht lächerlich. Nein, ich meinte diese Umhänge da. Wie fließend der Stoff fällt, wunderbar.« Sie schaut an sich herunter. »Und ich muss tagaus, tagein diese Kittelschürze tragen.«
»Machen Sie sich nicht verrückt«, sage ich freundlich. »Hier sieht Sie doch niemand.«
»Was soll denn das heißen? Ich bin doch gar nicht immer hier unten. Sehr oft bin ich unterwegs in meiner Mission.«
›In welcher Mission?‹, will ich fragen, aber da kommt mir schon ein anderer Gedanke. Nämlich dieser hier: Ob ich meinen Lateinlehrer auf die Liste schreiben soll oder lieber die blöde Weiland aus der Bäckerei, die mich nicht mag, weil ich sie nicht mag, und die manchmal behauptet, sie hätte keine Milchbrötchen mehr, obwohl ich genau sehe, dass im Korb hinter ihr welche liegen. Um mich zu rächen, bezahle ich grundsätzlich niedrige Beträge mit 50 - oder 100 -Euro-Scheinen, gern gehe ich auch nachmittags und/oder am frühen Abend dorthin, weil ich weiß, dass sie dann mit dem Wechselgeld am Hadern ist und eigentlich noch mal zur Bank müsste, was aber nicht geht, weil sie alleine hinterm Tresen steht. Ich hingegen bin schon das eine oder andere Mal extra zur Bank gegangen, um kleine in große Scheine zu wechseln, nur um Frau Weiland mit der weißen Schürze und dem
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