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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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einzigen halbwegs vernünftigen Satz von sich geben? Bitte. Ich bin sogar bereit, dafür zu bezahlen.
    Und dann bekomme ich stückchenweise doch erzählt, was Sache ist. Es stört mich überhaupt nicht mehr, dass es eine Million Jahre dauert. Im Gegenteil, ich spüre Tatendrang in mir aufsteigen. Denn das, was ich da höre, gefällt mir ausgezeichnet!

12

     
    Hubertus wirkt sehr zufrieden, was mir für ihn ungewöhnlich zu sein scheint. »Ich wusste, dass du zu uns passt«, sagt er erregt. »Und Satan muss es auch irgendwie gespürt haben.«
    Satan … ach so, der Heuler. Was hat der denn damit zu tun? Und wann kann ich denn anfangen mit dieser Liste? Ich freue mich doch so darauf. Die Liste, die Liste! Mit dieser Liste ist es nämlich so – oh! Hubertus rückt so nah an mich heran, dass es fast zu nah ist. Für mich natürlich nicht, aber im Normalfall. Seine Zufriedenheit ist ansteckend, was wiederum eine ungewohnte Lebenssituation für mich ist. Das merke ich unter anderem daran, dass ich plötzlich entsetzliche Gesichtsschmerzen habe, was mich zu einem klagenden und gleichzeitig aggressiven Aufschrei veranlasst.
    Hubertus springt entsetzt auf. »Was ist los? Und wie sieht sie überhaupt aus? Völlig entstellt!« Letzteres ist an William Wallace gerichtet.
    Mit Tränen in den Augen massiere ich meine Wangen. »Ich muss mir einen Muskel gezerrt haben oder so etwas.«
    »Im Gesicht?«
    »Herrje, natürlich im Gesicht!«, schleudere ich William entgegen. »Wenn ich ein Bein gebrochen hätte, würde ich mir wohl kaum im Gesicht rumtatschen.« Dass man hier alles doppelt und dreifach erklären muss! Jedenfalls hatte ich diesen Schmerz noch nie. Er ist mir völlig unbekannt. Und dann weiß ich, was es ist: Ich habe seit ungefähr fünfundzwanzig Jahren das erste Mal versucht zu lächeln. Genau gesagt seit der Klassenreise nach Waldmichelbach im Odenwald.
    Da müssen die Gesichtsmuskeln ja verrückt spielen.
    Ich beschließe, zunächst nicht noch einmal lächeln zu wollen, und widme mich wieder den beiden vor mir, die behaupten, Vampire zu sein oder auch nicht oder gut oder schlecht oder beides. Wie lange sie wohl schon hier unten zubringen mussten? Sie tun mir irgendwie leid – sie scheinen völlig durcheinander zu sein. Oder der ganze EDV -Kram hat sie schlicht krank gemacht. Vielleicht hat Malte ja recht mit der Strahlenbelastung, ich werde ihn fragen, ob man von Computern krank werden kann. Oder wahnsinnig. Ob das mit so vielen Computern hier arbeitsrechtlich überhaupt erlaubt ist? Anselm und Hagen scheinen ihre Jobs schon komplett verinnerlicht zu haben – wer bitte sonst trägt freiwillig Modems durch die Gegend und poliert die dann auch noch? Modems … die gibt es doch heute meines Wissens gar nicht mehr, also zumindest werden sie nicht mehr benutzt. Jetzt gibt es doch schon lange DSL und Wireless LAN und was weiß denn ich noch alles. Vielleicht wollen Anselm oder Hagen aber an der Vergangenheit festhalten, weil damals mit den Modems alles besser war, obwohl es Ewigkeiten gedauert hat, bis man endlich mal ins Internet gekommen ist.
    »Also, ich mache eine Liste«, nehme ich den Faden wieder auf, während mir die Insassen dieser Höhle, die sich für Vampire halten, immer mehr leidtun. Es ist hier zwar alles sehr komisch, aber ich möchte es gar nicht hinterfragen, weil ich die Idee mit der Liste so genial finde. Endlich bin ich mal am Zug und kann so richtig loslegen. Hubertus und William Wallace haben mir erklärt, dass ich Menschen, die ich nicht mag oder gar hasse, einfach so auf eine Liste schreiben und dann herholen kann, damit es ihnen an den Kragen geht. Als ob sie mir meinen geheimsten Wunsch erfüllen wollten. Wie oft habe ich nicht schon im Kopf eine solche Liste zusammengestellt! Und jetzt kann ich es kaum abwarten und sitze wie auf glühenden Kohlen. »Und dann geht es los?«
    Die beiden nicken und sagen synchron: »Dann geht es los«, und sonst sagen sie nichts.
    Ich sitze da mit einem Blatt Papier, einem Tintenfass und einer Schreibfeder, die altertümlich aussieht, und denke voller Inbrunst nach. Zehn Leute kann ich mir aussuchen,
zehn Leute
, das ist unglaublich herrlich. Das Besondere daran: Diese zehn Leute werden ihr altes Leben aufgeben und nie wieder die sein, die sie waren. Zwar glaube ich diesen Humbug nicht, der mir da erzählt wird, aber mir ist es auch ganz egal, wie diesen Leuten der Garaus gemacht wird, Hauptsache ist, er wird ihnen gemacht! Das beflügelt mich so sehr, dass ich

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