Saugfest
Kutte auf dem Podest?« »Ist es denn die Möglichkeit! Das heißt Robe!«
»Von mir aus«, sage ich. »Dann heißt es eben Robe.«
»Sie ist unangeschnallt mit überhöhter Geschwindigkeit durch eine geschlossene Ortschaft gebraust. Sie hat beinahe Menschen verletzt, wenn nicht sogar getötet. Sie hat ihren Fahrgast beleidigt, aber am schlimmsten ist die Tatsache, dass sie nichts davon eingesehen hat. Wozu gibt es denn Verkehrsregeln? Damit sie eingehalten werden. So wie alle Regeln.«
»Das ist doch die letzte gequirlte Scheiße«, rufe ich in Kilians Richtung. »Erstens fährt jeder mal zu schnell, und zweitens –«
Hubertus mischt sich plötzlich ein. »Überleg dir bitte gut, was du sagst, Helene.«
Ich bin sprachlos. Hab ich das richtig verstanden? Nur, um mich zu vergewissern, hake ich noch einmal nach. »Wie bitte?«
»Du hast mich schon verstanden, Helene«, lautet seine Antwort, und er ist nun sehr ernst und schaut von mir zu Friederike und Kilian. Dieser deutet Hubertus’ Blick als Zustimmung und sagt: »Sie gehört hinter Schloss und Riegel, aber so was von.«
»In London würde sie im Tower darben.« William scheint sich immer wieder darüber zu freuen, mit Fachwissen zu prahlen.
»Würde sie nicht, William«, sagt Ali. »Sie gehört nicht zur Oberschicht. Damit will ich jetzt nicht sagen, dass ich zur Oberschicht gehöre, aber ich kann euch dazu eine sehr interessante Geschichte erzählen. Man schrieb das Jahr 1712 , und da gab es eine kleine Forelle, die Julius hieß. Diese Forelle wurde … «
»Noch empfange ich keine Sozialhilfe«, unterbreche ich Ali barsch. »Und hör du jetzt endlich auf, von Forellen zu erzählen. Außerdem geht es hier gerade nicht um mich, sondern um diese beiden Missgeburten da.«
»Sie meint uns«, konstatiert Friederike. »Das ist fast zu viel für mich. Ich benötige einen heißen Yogi-Tee mit Akazienblütenhonig und warmer Kuhmilch. Sofort.«
Nein, oder? Sie stellt auch noch Forderungen! Nun habe ich die Nase aber langsam gestrichen voll. Davon ganz abgesehen, würde ich gern mal wieder so etwas wie Wasser an mir spüren. Wann habe
ich
eigentlich zum letzten Mal geduscht? Weil ich die Dinge vorantreiben will, sage ich: »Ich habe einen Heißwasserkocher dabei.«
Kilian sieht mich an, als würde ich mit Plutonium handeln. »Sie nimmt nur heißes Wasser aus einem
Kessel
für ihren Tee«, sagt Kilian. Friederike nickt leidend, aber auch so, als würde sie sich endlich mal verstanden fühlen.
Ich werde zunehmend böser, was ja wohl auch kein Wunder ist, und möchte beiden den Kocher am liebsten auf die Schädel
schlagen. Wenn ich mit jedem meiner Opfer einen solchen Zirkus habe, dann kann das ja dauern mit der Rache. Außerdem irritiert mich Hubertus’ Aussage und sein ernster Blick. Sitze
ich
hier auf der Strafbank? Ich glaube nicht.
Der Heuler kommt angewinselt und schmiegt sich an mein Bein. Was will er? Hat er Milchstau und möchte, dass ich seine Jungen säuge?
»Akazienhonig ist so wichtig«, sagt Friederike voller Inbrunst, und Kilian nickt bestätigend. Irgendwie hab ich das Gefühl, die beiden haben ein Verhältnis. Bestimmt ein esoterisches. Vor der Paarung werden Räucherkerzen angezündet, irgendein Buddhist singt Lieder von guten Menschen und dass Freundschaft und Zusammenhalt das Lebenselixier schlechthin ist, und während des Geschlechtsakts könnte Friederike für Ali naturweiße Tischdecken gelb batiken, während Malte, der zufällig vorbeikommt, daneben steht und mit vor Rührung ergriffener Stimme ruft: »Lasst uns frohlocken!«
»Kommst du mal bitte, Helene.« Hubertus winkt mich zu sich, und ich zwänge mich zwischen den anderen durch und stehe dann vor ihm.
»Ich hab das ernst gemeint, was ich vorhin gesagt habe«, flüstert er mir zu. »Hast du das jetzt endlich verstanden?«
»In meinem Schädel befindet sich eine noch nicht aufgeweichte, durchaus funktionstüchtige Gehirnmasse«, sage ich wütend. »Hör auf, mich so hinzustellen, als sei ich dumm.«
»Niemand sagt, dass du dumm bist«, geht es weiter, immer noch ernst. »Du sollst es nur verstehen. Denk mal drüber nach, was du den beiden vorwirfst, und dann denk darüber nach, was dir vorgeworfen wird, und dann wäge diese beiden Sachen mal gegeneinander ab.«
Hubertus wird mir unheimlich. Er spricht wie ein Priester im Beichtstuhl.
»William und ich, wir haben dir doch das mit den guten und schlechten Vampiren erzählt, erinnerst du dich?«
»Nein«, antworte ich, obwohl
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