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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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Selbstmitleid.
    »Ich fahre dich ins Krankenhaus, wenn du willst«, sage ich dennoch leise zu Goske, der meine geplante Heldentat noch leiser und ein wenig hämisch mit den Worten kommentiert: »Ich geh doch jetzt hier nicht weg. Gerade wird es ja so richtig interessant. Und so schlimm ist das mit meinem Bein auch nicht.« Ja, ist es denn zu fassen?!
    Resigniert schaut William in meine Richtung. »Ähem«, macht er und kratzt sich am Kopf. »Wie sieht es fürderhin mit den Missetaten im Straßenverkehr aus?«
    »Ich bin nach wie vor dafür, dass ihr der Führerschein entzogen wird und sie eine Zeitlang schwedische Gardinen von innen sieht«, fordert Kilian barsch, und Friederike nickt.
    Ich mache »Pfffh« und schweige dann wieder böse.
    »Wo war ich?«, fragt William. »Ich komme völlig aus dem Konzept. Wenn das so weitergeht, sitzen wir übermorgen noch hier.« »Ich habe Zeit«, lasse ich ihn wissen.
    Da klingelt mein Handy, und ich bekomme einen Riesenschreck, weil es so lange geschwiegen hat. Während ich es aus der Tasche zunzele, kreischt William: »Nein!«, robbt zu mir herüber und will mir das Telefon aus der Hand reißen, was ich selbstverständlich zu
verhindern weiß, indem ich mich von ihm abwende und schnell drangehe.
    »Ich bin es noch mal«, höre ich Maltes Stimme. Die Verbindung ist sehr schlecht. Er redet weiter, aber ich verstehe kein Wort.
    »Hallo?«
    Er lacht. »Brödelhäppeldurkdurkpfaaah … «
    Warum können Telefonanbieter eigentlich nicht gewährleisten, dass man überall Empfang hat?
    William dreht plötzlich komplett am Rad, wirft sich über mich und zerrt an meinem Arm, so dass das Telefon auf den Boden fällt. »Hier wird nicht telefoniert!«, ruft er aufgebracht und drückt auf den roten Knopf. »Das ist eine Missachtung meiner Person! Aufhören damit, sag ich, aufhören!«
    »Das war ein Kollege«, ich bin sauer. »Zufälligerweise verdiene ich mein Geld mit Taxifahren, und es könnte gut sein, dass das ein Auftrag war, der mir gerade durch die Lappen gegangen ist. Wenn ich jetzt bitte unverzüglich mein Eigentum wiederbekommen könnte.«
    Mit bebenden Händen hält William das Handy fest und drückt es an seine Brust. Hoffentlich hat er keinen Herzschrittmacher oder hoffentlich hat er einen.
    »Geht es jetzt mal weiter?«, fragt Zottel unwirsch. »Satan und seine Brut müssen auch bald mal für kleine Mädchen, und einer muss mit ihnen raus. Wer der eine sein wird, dürfte klar sein. Hubertus kann ja gerade nicht. Herrje, dieses Tier. Warum wurde es eigentlich mitgebracht?«
    »Ähem«, William beruhigt sich und denkt nach. »Ich habe den Faden verloren. Einen Moment bitte.«
    »Falls ich, während Sie den verlorenen Faden suchen, auch kurz noch mal was sagen könnte«, wirft Kilian ein und sieht mich an. »Bei allem, was Sie tun, Helene, würde mich mal interessieren, was Sie getan hätten, wenn Ihnen selbst das passiert wäre. Also wenn Sie diejenige wären, die so behandelt wird, wie Sie die Leute behandeln. Haben Sie sich darüber schon mal Gedanken gemacht?«
Er macht eine kleine Pause und sieht ein Stück weit traurig aus. »Stellen Sie sich mal vor, er hier … «, er deutet auf Hubertus, der immer noch daliegt, aber er atmet, er atmet!, »hätte Sie so behandelt und so mit Ihnen gesprochen, wie Sie das die ganze Zeit tun. Wäre das für Sie nicht schrecklich? Würden Sie sich nicht entsetzlich gedemütigt fühlen?«
    Ich starre Kilian an.
    Wenn
ich
so behandelt würde. Und auch noch von
Hubertus
. Nein, schön wäre anders.
    Zum ersten Mal denke ich ernsthaft über mich und mein Verhalten nach.
    Und darüber, dass Kilian vielleicht recht haben könnte.
    Warum helfe ich alten Leuten nicht über die Straße? Wieso fahre ich Menschen auf der Straße an und rase dann davon? Weswegen pöble ich eigentlich grundlos herum, als gäbe es kein Morgen mehr? Und woher kommt denn meine permanente schlechte Laune? Auf einmal habe ich zum zweiten Mal ein entsetzlich schlechtes Gewissen. Auch, weil es noch mal schlimmer wäre, von Hubertus so behandelt zu werden, wenn er mich denn schlecht behandeln würde. Aber das tut er ja nicht, er hat mich sogar geküsst.
    Ich ziehe eine sehr, sehr komische Erwägung in Betracht: Vielleicht wäre ja wirklich alles besser, wenn ich mein Leben ändere. Weil Hubertus und ich sonst keine Zukunft hätten. Mit einem Weißhemd will ich nämlich, um ehrlich zu sein, nicht zusammen sein. Würde ich Heftchenromane lesen, käme mir jetzt der Satz: »In mir

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