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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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schnalle den Käfig an, weil ich nicht will, dass Herr Richter einen Herzanfall bekommt, wenn ich bremse, Erich in seiner Voliere durch den Wagen geschleudert wird und sich
womöglich noch einen Flügel bricht. Herr Richter packt noch Brot, Butter und diverse Gelee- und Marmeladensorten ein (»Das hat Ännchen alles so gern gegessen, seitdem mache ich es selbst, schauen Sie, ich decke sogar immer noch den Tisch für zwei!«), falls wir zwischendurch Hunger bekommen (»Ein einziger Tag kann sehr lang sein«), und natürlich haben wir auch Körner für Erich dabei. Wie spät es eigentlich ist, weiß ich gar nicht, und es ist mir auch ganz egal.
    Nachdem alles verstaut ist und wir uns ins Auto gesetzt haben, schaue ich Herrn Richter erwartungsvoll an.
    »Was haben Sie?«, will er wissen. »Warum fahren Sie nicht los?«
    »Wohin soll ich fahren?«
    »Na, das weiß ich doch nicht.«
    »Ehrlich gesagt habe ich gedacht, dass Sie einen Plan hätten. Weil Sie mir doch helfen wollten, mein Leben zu ändern.«
    »Natürlich helfe ich Ihnen. Aber ein wenig nachdenken müssen Sie schon selbst.«
    »Ich weiß nicht, wo ich hinfahren soll.«
    »Was wollen Sie denn jetzt überhaupt machen?«
    »Ja … hm … die anderen suchen und mich entschuldigen. Für alles. Bei allen. Auch bei Isolde und bei meiner Mutter. Bei Hubertus auch. Also bei allen.«
    »Mit wem möchten Sie beginnen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wohl am besten mit Ihrer Mutter, oder? Sie steht Ihnen doch von allen am nächsten.«
    »Tja, ich weiß nicht, ob sie mir nahesteht.«
    »Das gilt es herauszufinden. Also los.«
    Und so düsen wir nach Winterhude. Vor dem Haus, in dem meine Mutter mit ihrer Freundin Heidelinde wohnt, parke ich korrekt ein und behindere auch keine anderen Fahrzeuge und keine Fußgänger, was mich ein Stück weit stolz macht. Auf der Fahrt nach Winterhude habe ich sogar vor einem Zebrastreifen gebremst und einen Blinden mit Hund passieren lassen, der sich zwar nicht
bedankt hat, das aber auch nicht muss, wie mir Herr Richter versichert. Ein Auto hat vor einem Zebrastreifen anzuhalten, wenn Fußgänger hinübergehen wollen. Punkt.
    Meine Mutter ist nicht da, aber Heidelinde geht an die Sprechanlage und sagt, sie wisse nicht, wo meine Mutter sei. Und ich sei eine schlechte Tochter. Ob es mir denn Spaß machen würde, sie dauernd abzuwimmeln und sie noch nicht mal zum Osteopathen zu fahren, wenn sie mich darum bittet? Immerhin sei meine Mutter ja auch nicht mehr die Jüngste, sagt Heidelinde. Ich versuche, sie zu beruhigen, aber es nützt nichts. Sie sagt, ich solle machen, dass ich fortkomme, was ich dann auch tue.
    Dann klappere ich mit Herrn Richter noch die Wohnungen von Annkathrin und Isolde ab, wo wir ebenfalls keinen Erfolg haben; auch Malte und Birte sind nicht zu Hause. Um es auf den Punkt zu bringen:
Niemand
ist da.
    Ich düse mit Herrn Richter und dem Heuler nach Schleswig-Holstein, aber dann verfahre ich mich vor Aufregung und finde den Weg nicht. Ich rufe in der Taxizentrale an und bitte darum, mir die Adresse zu geben, die speichern das ja alles ab, aber es hat einen Systemsturz gegeben, und alle Daten sind weg. Außerdem möge ich doch bitte das Taxi abgeben; ich sei ja heute gar nicht eingeteilt. Über die Beendigung der Zusammenarbeit müsse auch möglichst bald gesprochen werden. Das ist mir alles so egal. Ich muss die anderen finden, vor allen Dingen Hubertus! Ich werde mich vor sie stellen und sagen, dass ich alles bereue. Ich will ja auch, dass Hubertus kein Weißhemd werden muss, ob das, was William und Zottel da erzählt haben, nun stimmt oder nicht. Ich will zu Hubertus. Er ist der erste Mann, der mir wirklich etwas bedeutet. Das merke ich sekündlich mehr. Ich möchte alles, alles, alles wiedergutmachen. Friederike und Kilian haben ja recht, recht, recht. Ich habe Fehler gemacht. Herrje, man muss sich das mal vorstellen, wenn ich alt und schwerhörig wäre oder irgendwann mal bin, und dann stehe ich an einer Supermarktkasse und werde von einer jungen Frau aufs Übelste angeblafft. Oder die
junge Frau fährt mich mit ihrem Auto an und lässt mich da einfach liegen. Gott, die arme Frau! Hoffentlich hat sie damals nicht ihr Gebiss verloren! Und bitte, bitte, welch höhere Macht auch immer, sag mir, dass keine Jugendlichen gekommen sind, die ihre Hilflosigkeit ausgenutzt und ihr die Rente abgenommen haben, die das Frauchen bar mit sich herumtrug!
    Das ist doch nicht richtig!
    Das hat Herr Richter auch gesagt. Er bereut alles.
    Ich

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