Sauhaxn: Kriminalroman (German Edition)
gestrigen Abends
– war es überhaupt der gestrige Abend? – kehrten zurück. Bilder vom Treffen mit
Karl Bachmaier blitzten auf. Bilder von irgendeinem Schwein. Wie der Chefkoch sich
geweigert hatte, die Lieferung zu zahlen. Wie er Bachmaier im Kühlraum die Kehle
durchgeschnitten hatte. Wieder dieses verdammte Schwein. Das blinkende Schild ›Moulin
Rouge‹ und eine nackte Frau. Das letzte, woran er sich erinnerte, war, dass er eine
rothaarige Nutte für zwei Stunden gekauft hatte. Und war da nicht noch ein Kerl
gewesen? Ihr Zuhälter?
Wer auch
immer ihn gefesselt und geknebelt hatte, würde das bitter bereuen. Das stand fest.
Außer sich vor Wut zerrte Erich an den Fesseln.
Trotz seines
kleinen Wuchses war Erich kein Schwächling. Er hielt zwar nichts von Sport und Fitnessstudios,
allerdings viel vom Essen. Sein Motto war: Die Masse macht’s. Seine 90 Kilo, die
voll hinter jedem Schlag standen, hatten schon so manche selbsternannte Kiezgröße
auf die Matte geschickt. Jeder 1,80 Meter große Kriminelle lachte nur, wenn ihm
der 1,65 Meter große Erich entgegentrat. Zwei Minuten später war das Lachen verschwunden
und Erichs Gegner hielt sich die gebrochene Nase.
So riss
Erich jetzt mit all seinem Gewicht an den Fesseln, doch die Handschellen waren offenbar
Qualitätsware. Sie gaben keinen Millimeter nach. Dafür war bei der Einrichtung des
Bordells gespart worden. Es dauerte keine drei Minuten und Erich war frei. Die billigen
Sperrholz-Bettpfosten hatte er aus dem Bettgestell gerissen.
»Na, warte,
Freundchen, dich krieg ich«, murmelte er grimmig, nachdem er sich den Knebel aus
dem Mund gefriemelt hatte. Er rieb sich die Gelenke, an denen die Handschellen baumelten.
Darum würde er sich später kümmern. Zuerst kam die Rache.
Erich hatte
bereits ganz andere Leute fertiggemacht. Erich Hirtentaler, der acht Jahre im Bau
gesessen und mindestens ebenso viele Menschen ins Jenseits befördert hatte, würde
sich nicht von einem Dorfzuhälter und dessen dämlicher Nutte verarschen lassen.
Wütend stapfte er aus dem Zimmer, einen der Bettpfosten fest in den Händen. Im Flur
war es dunkel und er wäre beinahe gegen die Holzstatue einer dicken, nackten Frau
gelaufen. Den kleinen Zeh schlug er sich trotzdem an und heulte laut auf.
»Hey, du
Feigling! Wo bist du? Komm raus!« Erich brauchte dringend jemanden, an dem er sich
abreagieren konnte. Aber alles blieb still. Er stürmte den Flur einmal hinauf, dann
hinunter, trat wahllos Zimmertüren ein und kam schließlich wieder zu dem Zimmer,
aus dem er geflohen war. Gegenüber war ein Vorhang und Erich konnte sich dunkel
daran erinnern, der Rothaarigen aus der Bar durch diesen Vorhang gefolgt zu sein.
»Ich komm
dich jetzt holen!«, brüllte Erich, riss den Vorhang herunter, verwickelte sich mit
Handschellen und Bettpfosten darin und fiel der Länge nach hin. Er schmeckte Blut,
sonst geschah nichts. Offenbar war er doch nicht so fit, wie er gedacht hatte. Mühsam
stand Erich auf und fuhr sich mit der Zunge über die aufgeplatzte Lippe. Niemand
war zu sehen. Weder die Nutte noch ihr verblödeter Macker. Dafür gab es eine Bar
mit verdammt viel Alkohol. Erich benutzte seine im Vorhang eingewickelte rechte
Hand dazu, den Glasschrank hinter der Bar einzuschlagen und eine Flasche Averna
herauszuholen. Nach ein paar Schlucken ging es ihm besser. Er löste den Vorhang
von seinen Händen und machte sich auf den Weg nach draußen. Doch auch auf dem Parkplatz
war niemand zu sehen. Neben seinem Lastwagen stand nur ein Auto, ein hässliches,
rotes Cabrio. Eine typische Zuhälterkarre. Also musste der Mistkerl noch im Haus
sein.
Wutschnaubend
stürmte Erich zurück ins Moulin Rouge und warf auf seinem Weg sämtliche Barhocker
um. Dann fegte er die Dekoration von der Theke und rannte zurück in den hinteren
Bereich. Systematisch ging er alle Zimmer durch.
Bingo! Im
dritten Zimmer auf der linken Seite lag der Schweinehund im Bett und schnarchte.
Erich schrie
auf und stürmte auf den Zuhälter los. Der Überraschungseffekt war auf seiner Seite.
Sein Gegner konnte lediglich erschreckt die Augen aufreißen, da hatten sich auch
schon Erichs riesige Hände um seinen Hals gelegt. Erich brüllte seine ganze Wut
hinaus, während er immer fester zudrückte.
Als Antwort
bekam er nur ein Röcheln und einige kurze Minuten später hing der schlaffe Körper
des Luden in seinen Armen.
Erich zischte
eine letzte Beleidigung, bevor er sich den Toten über die Schulter warf. Wenn er
sich recht
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