Sauhaxn: Kriminalroman (German Edition)
erinnerte, hatte er ein paar hundert Meter die Straße hinauf einen verlassenen
VW Polo gesehen, den er mitsamt der Leiche anzünden konnte. Und danach musste er
sich um diese hinterhältige Nutte kümmern. Wo steckte die eigentlich?
*
Natalie steckte mit ihrem Absatz
in einem von Lendnitzens Gullis fest. Dass in Lendnitz aber auch nie ein Parkplatz
im Zentrum zu finden war! Sie hatte ihren Jetta am Villacher Ring abstellen müssen.
Darüber hinaus war ihre dämliche Arbeitskleidung außerhalb des Moulin Rouge nicht
zu gebrauchen. Sie fror in ihrem Minirock und der dünnen Bluse. Sie riss ihren Fuß
hoch und hastete weiter. Ihr Entschluss stand fest: Die Sache mit dem Serienmörder
und den Drogen musste ein Ende haben. Ihre Arbeit für Martin auch, aber darüber
würde sie später nachdenken.
Ein anonymer
Anruf bei der Polizei war die Lösung. Doch Martin hatte ihr das Handy abgenommen.
Seit dem Streit um den Psychopathen verdächtigte er sie, ihn hintergehen zu wollen,
und hatte ihr eine ganze Menge unflätiger Ausdrücke an den Kopf geworfen.
Also brauchte
sie eine funktionsfähige Telefonzelle. Und das war gar nicht so einfach. In der
ersten fehlte der Hörer, bei der zweiten hatte jemand in die Ecke gekotzt, die dritte
ließ sich auch nach gutem Zureden nicht zu einem Freizeichen überreden und bei der
vierten lag das gesamte Telefon zerschmettert am Boden. Natalie stand kurz davor,
sich in ihr Auto zu setzen, bis nach Klagenfurt zu fahren und nie mehr zurückzukommen,
da fand sie eine fünfte, glücklicherweise intakte, Telefonzelle.
Es war zwar
erstaunlich, dass Lendnitz bei knapp über 9.000 Einwohnern überhaupt fünf Telefonzellen
besaß, aber vielleicht wurde eine grundsätzliche Beschädigungsquote von 80 Prozent
von Anfang an mit eingerechnet. Glücklich, nur einen Kaugummi aus der Hörmuschel
pulen zu müssen, atmete Natalie tief durch und wählte den Notruf.
»Grüß Gott«,
begann sie zögerlich. »Ich möchte einen anonymen Anruf tätigen.«
»Oh, tatsächlich?«,
fragte die Telefonistin interessiert. »Wie heißen Sie bitte?«
»Entschuldigung?«,
stammelte Natalie verwirrt. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie solche Anrufe im Allgemeinen
abliefen, aber sie war sich ziemlich sicher, dass sie für einen anonymen Anruf ihren
Namen nicht nennen musste. Martin durfte die Spur nicht zu ihr zurückverfolgen können!
»Anonym«, erklärte sie also. »Ich möchte Ihnen anonym etwas mitteilen. Ohne Namen.«
»Ach so,
anonym. Natürlich. Entschuldigen Sie bitte. Aber es ist das erste Mal, dass ich
einen anonymen Anruf bekomme. Das ist ein bisschen aufregend, finden Sie nicht?«
Das konnte
Natalie eigentlich nicht behaupten. Psychopathen in ihrem Bett und zugekokste Zuhälter,
das war aufregend, ja. Obwohl Natalie auch dafür ein anderes Wort gewählt hätte.
Beängstigend vielleicht.
»Wie ist
denn die Adresse?«, fragte die Telefonisten weiter.
»Also, die
würde ich lieber auch nicht sagen.«
»Ach so.
Ja, natürlich. Anonym. Klar. Schon verstanden. Entschuldigung. Wie soll ich Sie
denn nennen? Kann ich Ihnen einen Codenamen geben? So wie Kobra?«
Natalie
schluckte. »Könnte ich vielleicht einfach nur meine Mitteilung machen? Ohne Codenamen?«
»Natürlich,
ja klar. Das geht auch. Ich warte. Was wollen Sie denn mitteilen? Ein Verbrechen?«
»Genau genommen
ist es ein bisschen komplizierter.« Nervös wickelte Natalie das Telefonkabel um
ihre Finger. Was, wenn Martin doch herausbekam, dass sie bei der Polizei angerufen
hatte? Was, wenn er sie dabei erwischte? Die Panik kam wieder in ihr hoch. Was,
wenn Martin gerade in der Stadt war?
»Kompliziert.
Okay, kein Problem. Das krieg ich schon hin.« Die Telefonistin schlürfte geräuschvoll
an etwas. »Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich nebenbei Kaffee trinke? Ich
hatte heute Morgen keine Zeit fürs Frühstück.«
Nahm diese
Frau das Ganze überhaupt ernst? Natalie seufzte unglücklich und versuchte, ihre
Gedanken in Ordnung zu bringen.
»Es geht
um einen Mann. Psychopath ist er. Und um Drogen.« Sie brach ab. Hatte sie da gerade
Martin um die Ecke biegen gesehen?
»Um einen
Psychopathen! Und Drogen! Mann, oh Mann! Seit zwei Jahren arbeite ich jetzt hier
und wissen Sie, was das Spannendste war, das ich jemals gehört habe? ›Ich glaube,
ich hab mich verwählt.‹ In diesem Kaff passiert überhaupt nichts.« Die Telefonistin
nahm wieder einen Schluck Kaffee und schmatzte in den Hörer. »Toll, dass Sie anrufen.
Echt. Wie geht’s
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