Saukalt
Freude bereitete ihm das nicht. Im Gegenteil. Bei dem Gedanken,
dass der Fellner vielleicht doch nicht Selbstmord verübt hatte, sondern
eventuell ermordet worden war, verkrampfte sich sein Magen noch mehr. Aber
nicht weil er so viel Anteil am Schicksal des Mannes nahm, sondern weil er
sofort daran denken musste, dass bei seiner Auffindung verdammt viele Fehler
gemacht worden waren. Vor allem waren alle Spuren auf dem Tatort vernichtet
worden. Das würde ein gefundenes Fressen für den Major Schuch am
Bezirkskommando werden, der sowieso nur darauf wartete, dass der Strobel
irgendwann einen Fehler machte. Jetzt könnte man natürlich sagen, dass es nicht
der Strobel, sondern der Pfaffi war, der etwas falsch gemacht hatte. Aber das
würde der Major sicher nicht so sehen. Weil immerhin war der Strobel
Postenkommandant und somit mit der Dienstaufsicht betraut. Jetzt hatte er aber
am Samstag frei gehabt. Damit würde der Berti die Krot’ fressen müssen. Das
konnte der Strobel drehen und wenden, wie er wollte. Der Major würde diese
Gelegenheit sicher weidlich ausnützen, um ihm eins auszuwischen. Da war der
Staatsanwalt, dem er den Fehler natürlich auch gestehen musste, sicher das
kleinere Problem.
Zu
seinem Glück hatte der Röderer einen Fotoapparat, den er sich ausborgen konnte.
Er schoss schnell ein paar Bilder von den Verletzungen und nahm dann den Film
aus der Kamera. Anschließend fragte er, ob er telefonieren dürfe und rief den
Staatsanwalt an. Zu seiner grenzenlosen Erleichterung machte der Mann kein großes
Theater, sondern blieb ruhig und sachlich und ordnete die Obduktion der Leiche
an. Zu guter Letzt suchte der Strobel die Telefonnummer der Gerichtsmedizin aus
dem Telefonbuch heraus und veranlasste den Transport vom Fellner Fritz. Bevor
er sich auf den Rückweg machte, bedankte er sich beim Röderer und forderte ihn
auf, absolutes Stillschweigen zu bewahren. Aber nicht, um den Fehler vor der
Öffentlichkeit geheim zu halten, sondern um den Mörder in dem Glauben zu
lassen, dass er mit seinem inszenierten Selbstmord durchgekommen war. Weil
davon, dass es einen Mörder gab, musste der Strobel jetzt freilich ausgehen.
Vor
lauter Überlegen, was er alles zu tun hatte, vergaß er ganz auf die Frau
Doktor. Am meisten Kopfzerbrechen bereitete ihm die Frage, wie um alles in der
Welt er den Fehler vom Pfaffi ausbügeln sollte. Eine zündende Idee stellte sich
allerdings nicht ein. Als er beim ›Hexenwinkel‹ vorbeifuhr, wunderte er sich
kurz über den großen Lastwagen, der dort auf dem Parkplatz stand. Die
Firmenaufschrift konnte er aber nicht lesen, weil er so zügig fuhr. Eine
Sekunde lang fragte er sich, was an einem Sonntag wohl zu einem Wirtshaus
geliefert werden konnte, bevor er sich wieder dem Fehlerausmerzthema widmete.
Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er darüber nachgedacht hätte, wer den
Fellner ermordet haben könnte und warum. Aber diesen Fragen würde er in
nächster Zeit ohnehin noch sehr viel Zeit widmen müssen. Deshalb kam ihm
Schadensbegrenzung für den Berti und den Pfaffi wesentlich wichtiger vor. Nach
der Predigt, die sich die beiden Beamten von ihrem Chef nach seiner Rückkehr
anhören mussten, rutschte die Stimmung auf der Dienststelle ziemlich auf den
Nullpunkt. Dem Berti war deutlich anzusehen, dass er am liebsten im Erdboden
versunken wäre, und aus dem Gesicht vom Pfaffi war der stolze Ausdruck komplett
verschwunden. Stattdessen schaute er drein, als hätten ihm die Hühner das Brot
weggefressen. Nach einer Schweigeminute stellte der Strobel dann fest, dass es
keinen Sinn mehr machte, über vergangene Fehler zu reden und sie jetzt
versuchen mussten, die verlorene Ermittlungszeit aufzuholen. Bevor er den
Pfaffi heimschickte, sagte er ihm, dass er sich ein paar Gedanken machen solle,
was alles zu tun sei. Er selber wollte noch zusammen mit dem Berti in den Wald fahren,
um sich die Stelle anzuschauen, wo der Fellner gefunden worden war. Auf dem Weg
dorthin machte der Strobel erst einmal reinen Tisch und erklärte dem Berti,
dass er ziemlich enttäuscht war, weil der seine Anordnung, auf den Pfaffi
aufzupassen, offensichtlich auf die leichte Schulter genommen hatte. Und er
sagte ihm auch, dass er keine Ahnung hatte, wie er das wieder geradebiegen
sollte. Der Berti kannte seinen Chef gut genug um zu wissen, dass der jetzt
keine fadenscheinigen Entschuldigungen hören wollte und versuchte deshalb erst
gar nicht irgendeine Rechtfertigung zu präsentieren. Andererseits wusste
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