Saupech (German Edition)
gewusst, dass die Mutter gestorben war? Hatte sie einen Informanten im Dorf?
»Warum hast mich nicht verständigt? Wolltest dir wohl alles allein unter den Nagel reißen?«
»Wie hätte i di denn verständigen sollen? I hab doch nicht gewusst, wo du bist! Du hast di ja nie gerührt und uns deine Adresse verraten.«
»Papperlapapp«, entgegnete seine Schwester. »Aber jetzt bin ich hier, und wir werden uns schon einig werden.«
In seinen Ohren klang das wie eine Drohung.
»Wie hast von Mutters Tod erfahren?«
»Na aus dem Bezirksblattel. War ja a Todesanzeige drin.«
Das war ja ganz was Neues. Seine Schwester las Zeitung! Früher hatte sie nicht einmal die Überschriften buchstabieren können. Der Ärger krampfte seinen Magen zusammen. Wenn Hilda sich nicht bald trollte, hieß das, dass ein Haufen neuer Probleme auf ihn zukam.
Und die Wochen danach zeigten, dass Hilda mindestens so schlimm war wie ein eitriger Fuß. Besonders biestig wurde sie, nachdem sich herausstellte, dass Mutter beim alten Komarek, dem Notar in Berndorf, ein Testament hinterlegt hatte. Hilda erbte nichts. Mutter hatte verfügt, dass Hilda nicht einmal den Pflichtteil bekam, weil sie sich länger als zwanzig Jahre nicht um ihre Mutter gekümmert hatte. Hilda drohte mit Klage. Der Notar hatte ihr geantwortet, dass sie das gerne tun könnte, doch die Aussichten seien minimal. Wer seinen Kindespflichten nicht nachkam, musste auch in der Erbschaft nicht bedacht werden, nicht einmal mit dem Pflichtteil.
Nach ein paar Wochen war ihm klar: Hilda musste wieder aus seinem Leben verschwinden. Aber wie sollte er das anstellen? Freiwillig schien sie jedenfalls nicht dorthin zurückkehren zu wollen, wo sie herkam. Gegen das intrigante Schwesterweib war die Mutter ja noch ein sanftes Schaf gewesen.
Eines Abends, nach einem langen Tag voller fruchtloser Diskussionen, reichte es ihm. Er mischte Hilda K.-o.-Tropfen in den abendlichen Kakao, und sobald sie eingeschlafen war, schleppte er sie in den Schlachtraum, zersägte sie auf handliche Brocken und warf diese in den Schweinekoben. Ihre persönlichen Habseligkeiten stopfte er in diverse Koffer, dazu ein paar Steine in jeden, fuhr mit ihrem Wagen nach Krems und versenkte das Zeug in der mondlosen Nacht in der Donau. Das Auto lenkte er nach Wien. Im 22. Bezirk, nahe einer Siedlung mit riesigen Hochhäusern, fand er eine ruhige Seitengasse. Dort parkte er und montierte die Nummerntafeln ab. Die warf er unterwegs in einen Tümpel. Wenn er Glück hatte, blieb das Auto hier monatelang stehen, ohne dass sich jemand viel dabei dachte. Vielleicht wurde es irgendwann von der MA 48 abgeschleppt und verschrottet. Und falls nicht und sie versuchen würden, den Halter des Fahrzeugs zu eruieren, wäre wohl jede Spur kalt. Möglicherweise wurde es sogar geklaut.
Bei der Heimfahrt im Zug steckte er seine Nase tief in die Presse, die Zeitung mit Seiten in Tischtuchgröße, und der tief in die Stirn gezogene Hut machte ihn zwischen den Pendlern nahezu unsichtbar. Beim Bahnhof hatte er vorsorglich sein Rennrad abgestellt, bevor er die ganze Aktion gestartet hatte. Er war sicher, keine Spur würde zu ihm führen. Die Papiere seiner Schwester verbrannte er mit dem Kopf in der Selch, ebenso andere persönliche Dinge Hildas, die noch irgendwo im Haus auftauchten. Die Asche und Knochenreste zerstieß er im Mörser und streute sie auf den Misthaufen.
Wenn jemand nach ihr fragte, gab er immer die gleiche Antwort. Hilda habe ihm nach dem Verlust der Mutter zur Seite stehen wollen. Jetzt sei sie wieder nach Hause abgereist. Nein, sie habe ihm nicht verraten, wo sie wohnte. Es täte ihm leid, wenn sie sich von niemandem verabschiedet hätte. Aber was hätten sie erwartet? Das hatte sie ja auch nicht getan, als sie mit sechzehn ausriss. Das leuchtete allen ein. Vor dem Tod der Mutter war sie fünfundzwanzig Jahre nicht nach Hause gekommen. Ihr Lebensmittelpunkt lag eben eindeutig woanders.
Er fühlte sich, als habe er einen Mühlstein um den Hals getragen und den plötzlich abwerfen können. Nun würde SEIN Leben endlich wirklich beginnen.
33
»Weißt, was mir die Gretel neulich bei der Fußpflege erzählt hat?«
Dorli schenkte eben die Tassen mit Kaffee voll. Eigentlich war sie mit ihren Gedanken ganz woanders. Doch Lore, ihre Schwägerin, hatte mit dem Namen Gretel ihre geistige Absenz beendet.
»Nein, aber du wirst es mir sicher gleich sagen.«
»Der Toni hat sie eingeladen. Sie hat abgelehnt, weil sie jetzt in Trauer ist.
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