Savannah
Sinnvolles«, antwortete Parrish eindringlich. Er sprach ruhig und überzeugend und schien sich seiner Sache verdammt sicher zu sein. »Du könntest beispielsweise als Krankenschwester arbeiten. Du hast ein Händchen dafür. Das habe ich gesehen, als du mir bei der Geburt von Mirandas Baby geholfen hast.«
Krankenschwester? Wer würde sich wohl von ihr pflegen lassen? Von einer Barfrau, die sich wahrscheinlich für Geld an Männer verkaufte? Niemand würde das tun. »Danke«, sagte sie spöttisch. »Sehr nett, dass du dir um meine Zukunft solche Sorgen machst.«
Er lächelte, hob ein imaginäres Glas und prostete ihr damit zu. »Immer zu Diensten.«
5
Savannah hatte den Eindruck, dass diese Auseinandersetzung im Brimestone Saloon ein Zeichen für alle weiteren Begegnungen gesetzt hatte, die in den nächsten Tagen und Nächten folgten. Zwischen ihr und dem Doktor herrschte eine prickelnde Atmosphäre, sie tolerierten zwar einander, gingen beide ihrer Arbeit nach und versuchten gleichzeitig, sich möglichst aus dem Weg zu gehen. Das war natürlich nicht einfach, da Springwater nicht gerade eine Großstadt war und beide zudem auch noch in der Kutschstation wohnten.
Savannah lebte schon fast einen Monat in der Stadt - wie Jacob und June McCaffrey es optimistisch ausdrückten, als Rachels und Treys Fertighaus aus Seattle eintraf. Der Transport mit mehreren Kutschen zog sich über drei Sommertage hin. Mit jedem Tag stieg die Spannung und die Erwartung, ob so etwas wirklich funktionieren könnte. Savannah erschien es wie ein Wunder, als am vierten Tag immer mehr Menschen von den abgelegenen Farmen und Ranches nach Springwater kamen. Die Männer hatten alle ihr Werkzeug dabei und die Frauen brachten ihr Handarbeitszeug und etwas zum Essen mit.
Savannah beobachtete aus der Feme, wie sich die Frauen zusammensetzten, wie sie ihre Nähsachen miteinander teilten, vergnügt tratschten und viel und herzlich lachten. Sie war ein bisschen neidisch, dass sie nicht dazugehörte. Von Emma erfuhr sie, wer Evangeline Wainwright war, die Frau von Scully, einem erfolgreichen Pferdezüchter, wer Mrs. Bellweather war, die Mutter von Kathleen, die mit Emma die Schule besuchte, und sie hörte, wer all die anderen Frauen waren. Selbst Granny Johnson hatte es sich nicht nehmen lassen, trotz ihrer Schmerzen nach Springwater zu kommen. June hatte die alte Frau, die vergnügt und lebendig wirkte, in den letzten Wochen mehrfach besucht und Savannah wusste, dass auch Dr. Parrish öfter zu ihr in die Berge geritten war.
Natürlich interessierte sich Savannah nicht dafür, was Dr. Parrish tat, es ergab sich eben einfach so. Aufgefallen war ihr allerdings, dass er weder spielte noch trank, wenn er in den Brimestone Saloon kam. Er setzte sich dann einfach an einen Tisch und hörte sich die Geschichten und Sorgen der Cowboys und der durchreisenden Händler an. Mehr als einmal war er auf das klapprige Pferd gestiegen, das Jacob ihm zur Verfügung gestellt hatte, und war querfeldein grimmig aussehenden Männern gefolgt, weil ein Trailboss mal wieder seine Hilfe angefordert hatte. Cowboys waren nun mal Cowboys - und ihr Leben war hart. Oft brauchte man einen Arzt, um gebrochene Knochen zu richten, damit er sich um einen Schlangenbiss kümmerte oder auch mal eine verstreute Kugel aus dem Fleisch zu schneiden. Pres schlief weiterhin nachts auf dem Heuboden, aber er aß mit gutem Appetit, wie June Savannah ungefragt erzählt hatte.
Nun hatten sich also mehr oder weniger alle Nachbarn aus nah und fern versammelt, um Trey beim Hausbau zu helfen. Auch Pres war dabei. Er hatte die Ärmel hochgekrempelt und packte tüchtig zu. Ein ständiges Tack Tack der Hämmer war zu hören, wenn die Männer lange Nägel in die Holzbohlen trieben. Daneben war das raspelnde Geräusch der Sägen zu hören. Savannah stand allein im Brimestone Saloon und blickte durchs Fenster auf das zukünftige Haus der Hargreaves. Sie fühlte sich entsetzlich einsam und verlassen, denn selbst ihre Gäste waren zur Baustelle gegangen, um beim Aufrichten der Außenwände zu helfen.
»Du solltest auch rübergehen«, sagte Emma, die plötzlich neben Savannah stand und sie anschaute. Rachel hatte verboten, dass sich das Kind im Saloon aufhielt, aber die Kleine kannte sich trotzdem bestens hier aus - das hatte sie wohl alles vor der Heirat ihres Vaters kennen gelernt. Emma wusste genau, wo alles stand, sie kannte die einzelnen Whiskeysorten, sie kannte jedes Glücksspiel - und wusste auch,
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