Savannah
wie man dem Glück dabei etwas nachhelfen konnte.
Savannah seufzte und betrachtete ihr weit ausgeschnittenes Kleid, das mit Federn und Schleifchen verziert war. Sie sah aus wie ein tropischer Vogel - oder wie ein geschmackloses Möbelstück. Das kam ganz auf die Betrachtungsweise an. »Ich glaube nicht, dass ich in diesen Kreis passe«, sagte sie besonders freundlich, denn sie mochte Emma und wollte das Kind nicht verschrecken. »Aber was ist mit dir? Willst du nicht rübergehen?«
Emma zuckte mit den Schultern. Sie wirkte bekümmert, als sie wieder aus dem Fenster schaute und die fröhliche Szene da draußen betrachtete. Savannah kam plötzlich in den Sinn, dass Emma, die ja eine Halbblut-Lakota war, sicher genau wusste, dass sie es nicht einfach im Leben haben würde. »Pa sagt, dass jeder, der hierher in den Westen kommt, mindestens ein Geheimnis in seinem Herzen mit sich trägt oder dass er etwas an sich hat, das ihn von anderen unterscheidet. Für mich heißt das, dass wir eine Menge voneinander erfahren und lernen müssen.«
Savannah lächelte - wenn auch ein bisschen traurig. Sie war im Leben oft genug zurückgewiesen worden und deshalb wusste sie, dass diese Springwater-Frauen - mit ihren Kindern, die so fröhlich spielten, mit ihren Körben voll mit Hausmannskost, mit ihren schlichten Kalico-Kleidem -, dass diese Frauen sie niemals in ihrer Mitte akzeptieren würden. Miranda Leebrook andererseits gehörte inzwischen zu diesen Frauen - trotz ihres Sündenfalls und ihres unehelichen Kindes. Miranda hatte June bei deren Näharbeiten geholfen, war so nach und nach im Kreis der Springwater-Frauen aufgenommen worden und es war ein offenes Geheimnis, dass Miranda Landrey Kildare schöne Augen machte, einem gut aussehenden verwitweten Rancher, der zwei halbwüchsige Söhne hatte.
»Geh du mal schon vor«, sagte Savannah liebevoll zu Emma. »Ich muss hier noch ein paar Sachen erledigen.«
Emma schaute sich in dem leeren Raum um. Selbst der Bartender war gegangen, um beim Hausbau zu helfen. »Was hast du jetzt hier noch zu tun?«, fragte das Mädchen altklug, denn es konnte beim besten Willen nicht sehen, was Savannah jetzt hier zu erledigen hatte.
Savannah seufzte und legte ihren Arm um Emmas Schulter. »Wenn du erst mal älter bist, wirst du mich verstehen«, meinte sie.
Emma runzelte die Stirn, während sie nachdachte. »Ich denke, ich verstehe dich auch jetzt sehr gut. Deine Meinung steht schon fest. Du bist davon überzeugt, dass die anderen Frauen dich nicht mögen. Du versuchst aber gar nicht erst, dich mit ihnen anzufreunden, weil du Angst hast.«
Savannah fragte sich, wieso es möglich war, dass dieses Kind sie so durchschaut hatte.
»Ich habe keine Angst«, log sie.
Emma wirkte nicht gerade überzeugt, denn sie verdrehte die Augen. »Man wird dich bald vermissen«, sagte die Kleine und schüttelte drohend ihren Zeigefinger. »Miss June wird sofort merken, dass du bei diesem Fest fehlst, und Rachel wird dich früher oder später suchen. Wahrscheinlich beide. Und Mrs. Wainwright vermutlich auch. Sie ist ganz reizend und kann es nicht ausstehen, wenn jemand abseits steht.«
Savannah dachte über Emmas Worte nach. Der Gedanke, dass man sie vielleicht mit sanfter Gewalt zwingen würde, an dem Fest teilzunehmen - und sie dann mit Sicherheit im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen würde-war noch schlimmer, als-der Gedanke, davon bewusst ausgeschlossen zu sein. Emma war ein kluges Mädchen, das eine scharfe Beobachtungsgabe besaß, und es war un möglich, diesem Kind etwas vorzumachen.
»Du hast mächtig Angst«, sagte Emma zum zweiten Mal, aber es klang nicht vorwurfsvoll, sondern mitfühlend.
Savannahs Herz begann zu holpern und sie musste tief durchatmen. Es war sinnlos zu lügen, denn Emma hatte sie längst durchschaut. »Angst ist vielleicht nicht das richtige Wort«, erwiderte sie kläglich.
»Oh, doch«, antwortete Emma. »Das ist das richtige Wort.« In diesem Moment hatte sie den gleichen Gesichtsausdruck wie ihr Vater, der ja auch eine Sache genau auf den Punkt bringen konnte, wenn er gerade dazu in der Stimmung war.
»Dem kann ich nur zustimmen«, ertönte eine männliche Stimme aus Richtung der Schwingtüren. Prescott Parrish natürlich. Der Mann war wirklich die Pest, wie Savannah sich immer wieder sagte. Sie würde alles tun, was möglich wäre, damit sie nicht jedes Mal so heftig auf ihn reagierte.
Aber genau das schien unmöglich zu sein, denn jedes Mal, wenn er den Raum betrat -
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