Savannah

meinen Anteil am Brimestone Saloon an Trey verkaufe - es wird lange dauern, bevor ich auch nur einen Penny Bargeld sehen werde -, werde ich das Geld zu einer Bank in Great Falls, in Denver oder in San Francisco bringen - und zwar unter meinem Namen und nur unter meinem Namen.«
    Er lachte. »Mir soll es recht sein«, sagte er, »es macht mir nämlich nichts aus, für dich zu sorgen. Aber ich muss dich vorwamen, hier im Westen verdient ein Arzt nicht viel Geld, sodass wir keine großen Sprünge machen und nicht in großem Stil leben können.«
    Ihre Augen glänzten und drückten die Sehnsucht aus, ihm vertrauen zu können. Sie wünschte, sie könnte die Mauern, die sie um sich errichtet hatte, um sich zu schützen, einreißen - wenigstens so weit, dass sie ein paar vorsichtige Schritte ins Leben machen konnte, sich aber gleichzeitig auch wieder zurückziehen konnte. »Ich brauche Zeit zum Nachdenken«, sagte sie.
    Sein Herz jubilierte, weil sie ihm nicht sofort eine Abfuhr erteilt hatte. »Lass dir alle Zeit, die du zum Nachdenken brauchst«, sagte er, bevor er sie küsste und küsste und immer wieder küsste.
     
    Heiraten! Und dann auch noch Dr. Parrish!
    Ja, war sie denn von allen guten Geistern verlassen?
    Als Savannah zur Springwater-Station zurückging, wehte ein kühler Wind und es nieselte, aber davon bekam sie gar nichts mit, denn ihre Gefühle waren in Aufruhr - und das war einzig und allein Prescotts Schuld. Weil er sie geküsst hatte und weil er über Dinge gesprochen hatte, über die Sie nicht hatte reden wollen.
    Natürlich konnte sie den Mann nicht heiraten. Sicher, sie fand ihn attraktiv und manchmal verspürte sie auch so etwas wie leidenschaftliches Verlangen nach ihm, aber sie liebte ihn doch gar nicht. Andererseits hatte sie genügend Erfahrung, um zu wissen, dass das, was Pres über die Liebe gesagt hatte, wahr war - sie kam nicht immer so unerwartet wie ein Blitz aus heiterem Himmel über zwei Menschen, so, wie es bei Trey und Rachel gewesen war oder bei den Wainwrights. Gerade hier im Westen, wo das Lebert schwer war und Männer und Frauen hart arbeiten mussten, wo man nie wusste, warm man sterben oder schwer verletzt werden würde, begannen gute Ehen viel öfter als Partnerschaften. Die Liebe stellte sich dann später ein - manchmal jedoch auch nie.
    Sie blieb im Regen stehen und betrachtete die Lichter in dem herrlichen Fünf-Zimmer-Haus der Hargreaves, das der Station schräg gegenüberlag. Aus dem Schornstein über der Küche stieg Rauch auf und Savannah fragte sich, ob den beiden eigentlich wirklich bewusst war, wie glücklich sie waren.
    In diesem Moment entschloss sie sich - oder zumindest würde sie sich später immer so daran erinnern - den Antrag des Docs anzunehmen und das Risiko einer Ehe mit ihm einzugehen. Vielleicht würde sie ja eines Tages in der Lage sein, ihm zu gestehen, dass sie ihn liebte - und zwar seit jenem Abend, an dem er Mirandas Kind auf die Welt geholt hatte. Als er ihr das schreiende, verschmierte Wesen in die Arme gelegt hatte, hatte sie deutlich gespürt, dass sich tief in ihrer Seele etwas verändert hatte. Plötzlich wusste sie, dass sie sich schon lange nach einem Kind sehnte, aber wie hätte sie dieses fremdartige Verlangen nach irgendwas vorher erkennen können? Aber in diesem Augenblick, kurz nach der Geburt von Miranda Leebrooks Baby war ihr klar, was sie am meisten im Leben vermisste.
    Sie liebte Pres und vielleicht würde er im Laufe der Zeit ihre Gefühle erwidern.
    Sie betrat die Halle der Station, die leer war. Das war einerseits eine Erleichterung, andererseits aber enttäuschend, da sie June die Neuigkeit mitteilen wollte. Aber sie musste sich ja zuerst einmal selbst an den Gedanken gewöhnen und so war es gut, dass ihr noch etwas Zeit blieb, bevor sie die anderen einweihte.
    Erst als sie in ihrem kleinen Zimmer hinter der Küche war und ihren Schal und Umhang ablegte, wurde ihr bewusst, dass sie ein rotes Taftkleid trug, da sie ja eigentlich auf dem Weg zum Brimestone Saloon gewesen war. Nur aus einem verrückten Impuls heraus war sie in die Praxis gegangen. Sie wusste selbst nicht mehr, warum sie das getan hatte. Sie wusste nur noch, dass er sie geküsst und ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte. Und dabei hatte sie die ganze Zeit eines der Kleider getragen, die er nicht ausstehen konnte, und ihr Gesicht war geschminkt gewesen - was er noch Weniger ausstehen konnte, wie er ihr bei verschiedenen Gelegenheiten versichert hatte. Aber heute hatte er