saved by an Angel
auseinanderhalten?«
Philip dachte einen Augenblick nach. »Sie schimmert eher lila.«
»Woher weißt du, dass sie ein Mädchen ist?«
»Sie hat die Figur eines Mädchens«, erwiderte er.
»Aha.«
»Eines Mädchens in deinem Alter«, fügte er hinzu. Philip zog unter einem Stapel Comichefte ein Foto hervor, auf dem ein seltsamer verschwommener Umriss zu erkennen war. Ivy erkannte das Foto: Es war das erste Foto, das Will auf dem Kunstfestival geschossen hatte.
Philip betrachtete es stirnrunzelnd. »Vermutlich erkennst du hier nicht viel«, sagte er.
Was sollte sie auch erkennen?, fragte sich Ivy.
»Möchtest du wirklich bloß deinen Wasserengel zurückhaben?«, fragte Philip.
Ivy wusste, dass er eigentlich alle Engel behalten wollte. »Wirklich nur ihn«, versicherte sie ihm und trug den Porzellanengel vorsichtig in ihr Zimmer. Er war Ivys Lieblingsfigur. Wegen des wirbelnden blaugrünen Gewands hatte sie ihn nach dem Engel benannt, der ihr mit vier erschienen war und sie vor dem Ertrinken gerettet hatte. Ivy stellte die Figur neben Tristans Foto und strich mit der Hand über die glatte Glasur des Engels. Dann berührte sie Tristans Foto.
»Zwei Engel - meine zwei Engel«, sagte sie und ging in ihr Musikzimmer im zweiten Stock.
Ella lief hinter ihr her. Oben angekommen, sprang sie auf die Fensterbank des Mansardenfensters schräg gegenüber von Ivys Klavier. Ivy setzte sich und übte Tonleitern, deren Töne durchs Zimmer perlten. Während ihre Hände sich über die Tasten bewegten, dachte sie an Tristan, wie er ausgesehen hatte, wenn er schwamm, wie das Licht in dem aufspritzenden Wasser um ihn herum glitzerte, wie sein Licht sie nun umhüllen konnte.
Das Nachmittagslicht im September ähnelte seinem goldenen Schimmern. Ivy sah zum Fenster und hörte unvermittelt zu spielen auf. Ella setzte sich auf und spitzte die Ohren, ihre Augen waren groß und glänzend. Ivy drehte sich schnell um und sah hinter sich. »Tristan«, sagte sie leise.
Das Leuchten umhüllte sie.
»Tristan«, flüsterte sie noch einmal. »Rede mit mir. Warum kann ich dich nicht hören? So wie Will und Beth. Kannst du nicht auch mit mir reden?«
Doch es war nur der dumpfe Aufschlag zu hören, als Ella von ihrem Hochsitz sprang und zu ihr trottete. Ivy fragte sich, ob die Katze Tristan sehen konnte.
»Ja, als ich das erste Mal gekommen bin, hat sie mich erkannt.«
Seine Stimme verblüffte Ivy. »Du bist es. Ja, du bist es wirklich-«
»Unglaublich, oder?«
In ihrem Inneren konnte Ivy nicht nur seine Stimme hören, sondern auch das unterdrückte Lachen. Er klang genau wie früher, wenn er sich über etwas amüsiert hatte. Doch dann verstummte das Lachen.
»Ivy, ich liebe dich. Ich werde dich immer lieben.«
Ivy stützte den Kopf in die Hände. Goldenes Licht floss über ihre Handflächen und Finger. »Ich liebe dich, Tristan, und du hast mir gefehlt. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich vermisst habe.«
»Du weißt nicht, wie oft ich bei dir war, dich im Schlaf betrachtet und dir beim Klavierspielen zugehört habe. Alles war wieder wie letzten Winter, ich hab gewartet, hatte Sehnsucht und habe gehofft, dass du mich endlich wahrnimmst.«
So wie früher seine Küsse ließ die Sehnsucht in seiner Stimme Ivy innerlich erzittern.
»Wäre ich als Engel nicht so ’ne Niete, hätte ich dich mit Broccoli und Möhren beworfen«, scherzte er.
Ivy lachte ebenfalls, ihr fiel das Tablett mit Rohkost ein, das er bei der Hochzeit ihrer Mutter hatte fallen lassen.
»Philip und ich fanden dich nur wegen der Möhren in deinen Ohren und den Shrimps in deiner Nase unwiderstehlich«, zog sie ihn lächelnd auf. »Ach, Tristan, hätten wir doch diesen Sommer zusammen erlebt. Es wäre so schön gewesen, nebeneinander in der Mitte des Sees zu treiben, während die Sonne auf unseren Fingern und Zehen geglitzert hätte.«
»Ich will nur in deiner Nähe sein«, sagte Tristan.
Ivy hob den Kopf. »Ich würde so gern deine Arme um mich fühlen.«
»Du wärst meinem Herz nicht näher, als du es gerade bist.«
Ivy streckte die Arme aus, dann schlang sie sie wie Flügel um sich. »Ich hab mir so oft gewünscht, ich könnte dir sagen, dass ich dich liebe. Aber ich habe nie geglaubt, ich habe einfach nie geglaubt, dass ich Gelegenheit dazu haben würde -«
»Du musst glauben, Ivy!« Sie spürte, wie die Angst in seiner Stimme in ihr widerhallte. »Hör nicht auf zu glauben, sonst wirst du mich nicht mehr sehen. Auch wenn du den Grund noch
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