Saving Phoenix Die Macht der Seelen 2: Roman (German Edition)
clever, wie wir alle wissen.« Der Seher forderte uns mit einer ungeduldigen Handbewegung auf, ihm zu folgen. »Mir steht jede Menge Muskelkraft zur Verfügung, aber ich brauche dringendmehr Hirnschmalz für meine Operationen; du bist also eine willkommene Ergänzung und ich glaube, du wirst feststellen, dass es viel mehr Entfaltungsmöglichkeiten für deine Fähigkeiten gibt, wenn sie nicht durch die idiotischen Wertvorstellungen des Savant-Netzwerks beschränkt werden.«
Wie zum Beispiel von Anstand und Moral.
Hinter ihm standen Unicorn und Dragon und starrten mich wütend an, aber jetzt mal ehrlich – es war doch nicht meine Schuld, dass der Seher sie nur als nützliche Muskelpakete ansah.
Die wehmütigen Klänge eines Saxofons drifteten aus dem Zuschauerraum herüber. Der Seher trat ein und wir folgten dicht hinter ihm, wie ein Umhang, der ihm um die Füße glitt. Der Raum war rappelvoll, aber die Savants hatten die besten Plätze reservieren lassen, direkt vorne an der Bühne. Sie waren alle versammelt – die Repräsentanten der gefährlichsten Verbrechersyndikate der Welt, und zwar in gleicher Konstellation wie im Hotel. Auf jedem Tisch stand eine kleine Kerze in einem roten Kerzenhalter; in dem Schummerlicht sahen die Flammen für mich aus wie dämonische Augen, die über die Tischränder hinweg böse zu uns hinspähten. Mich überkam das plötzliche Verlangen, auf dem Absatz kehrtzumachen und loszurennen – um mein Leben zu rennen. Yves verstärkte seinen Griff, denn er spürte mein Zögern.
»Alles wird gut«, flüsterte er.
Wir traten in den Raum ein, genau in dem Moment, als die letzten Noten von ›Cry Me a River‹ erklangen unddas Publikum anfing, Beifall zu klatschen. Der Seher lächelte; ihm gefiel, dass es zufällig so aussah, als würden die Leute ihm applaudieren. ›Jim‹ New York erhob sich und winkte uns zu sich herüber. Ich konnte die anderen Mitglieder der Anführergruppe sehen, Moskau, Beijing, Sydney und alle anderen, die ganz in der Nähe saßen.
Es ging hier nicht um einen unterhaltsamen Abend, sondern darum, dass man uns präsentieren wollte. Der Seher erbrachte den Beweis, dass er einen Benedict gezähmt hatte.
Jim schüttelte dem Seher die Hand, dann klopfte er Yves auf die Schulter. »Schön, Sie kennenzulernen. Ich bin New York. Hab schon viel von Ihnen gehört, natürlich; hätte nur nicht geglaubt, dass ich diesen Tag noch mal erleben würde.« Er entdeckte mich hinter Yves. »Andererseits, wenn ich eine Frau wie Ihre beschützen müsste, würde ich meinen Lebensentwurf vermutlich auch neu überdenken.« Er hakte mich unter und zog mich an den Tisch ins Licht, tat so, als wären wir gute alte Freunde. »Sie sehen bezaubernd aus, Miss London. Nehmen Sie bitte Platz.«
Es gab nur vier Stühle am Tisch, sodass Unicorn und Dragon sich drängeln mussten, um noch einen Platz in unserer Nähe zu bekommen. Ein Kellner erschien mit einer Flasche Champagner und schenkte uns allen ein. Ich tat so, als würde ich in den Toast mit einfallen, rührte mein Getränk aber nicht an. Yves hielt die ganze Zeit meine Hand, im Verborgenen unter dem Tisch, und gab mir so den dringend benötigten Rückhalt, während er unbefangen mit Jim über Baseball plauderte. Von mirwurde nichts weiter verlangt, als schmückendes Beiwerk zu sein, und so nahm ich den Raum genau in Augenschein, spähte Fluchtrouten aus für den Fall, dass wir einen schnellen Abgang machen müssten. Erst als ich den nächsten Notausgang entdeckt hatte, richtete ich mein Augenmerk auf die Musiker. Meine Finger umklammerten krampfhaft Yves’ Hand. Das Saxofon wurde von einer kleinen Blondine gespielt. Die kräftig geschminkten Augen, das schwarze Brillengestell und der vampirrote Lippenstift konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei ihr in Wahrheit um meine Zimmergenossin der vergangenen Tage handelte. Sky. Halb hoffend, halb bangend sah ich mich suchend nach Zed um, da ich vermutete, dass er seinen Seelenspiegel in einer solchen Situation nicht alleinlassen würde. Schließlich erkannte ich ihn in dem vollbärtigen Drummer mit Blumenhemd und – ja, wirklich – Sandalen und Socken. Ich biss mir auf die Zunge, um den absurden Drang zu unterdrücken, angesichts dermaßen selbstlosen Modeverzichts laut loszuprusten.
Aber was hatte das alles zu bedeuten? Wenn sie hier waren, dann waren die anderen Benedicts auch nicht weit. Und entweder wussten sie von Yves’ Verrat oder er hatte die ganze Zeit über ein
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