Saving Phoenix Die Macht der Seelen 2: Roman (German Edition)
auf den Bauch. »Vielleicht solltest du heute Abend ›Daddy‹ zu mir sagen. Das würde einen positiven Eindruck hinterlassen.«
Lieber hätte ich in einer Schlangengrube gebadet.
Unicorn und Dragon tauschten beunruhigte Blicke.
»Aber nur Phoenix«, mahnte der Seher. »Eine Tochter mag sich solche Freiheiten herausnehmen dürfen, aber meine Söhne werden mich weiterhin mit angstvollem Respekt behandeln. Ich will vor diesen Männern nicht das Gesicht verlieren.«
Wen würden wir da bloß treffen, dass selbst der Seher ihnen Ehrfurcht entgegenbrachte? Ich hatte noch nie erlebt, dass er sein Ansehen infrage stellte, allerdings hatte ich auch noch nie erlebt, dass er sich außerhalb der Grenzen unserer Community bewegte. Vielleicht war diese Zusammenkunft für ihn ja so was wie das Jahrestreffen der armseligen Despoten am Rande der UN-Vollversammlung, bei dem sie alle darum wetteiferten, wer von ihnen der größte Menschenrechtsverbrecher war.
Die Limousine fuhr vor dem Hotel vor und ein uniformierter Portier eilte herbei, um die Tür zu öffnen. Dragon stieg als Erster aus und sondierte die Lage, dann half er dem Seher auf den Bürgersteig hinaus. Ich folgte ihnen als Letzte, strich noch mal mein Kleid glatt, bevor ich gleich die vornehme Eingangshalle betreten würde, und konnte dabei nicht einen Moment die Augen von dem Hotel nehmen: Es war wunderschön. Ich war begeistert von dem prunkvollen Gebäude mit seinen sieben Stockwerken und den endlosen Reihen hell erleuchteter Fenster, dem aufmerksamen Personal, das sich um die Bedürfnisse der Gäste sorgte, noch ehe sie ihnen überhaupt in den Sinn gekommen waren, der ruhigen Eleganz des Hauses, ganz das Gegenteil von dem Ort, von dem aus wir gestartet waren. Mit ausdrucksleererMiene trat der Portier zur Seite, um die Speckmassen des Sehers hineinzulassen, und doch sah ich, dass kurz Interesse in seinen Augen aufflackerte, als sein Blick auf meine Halskette fiel. Die Diamanten waren erstklassig. Ich hoffte nur, dass ihr ursprünglicher Besitzer heute nicht im Waldorf zu Abend aß.
»Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragte der Empfangsportier im Foyer.
»Ich habe einen Tisch im Restaurant reserviert, auf den Namen London«, erklärte der Seher knapp.
»Natürlich, Sir. Der Rest Ihrer Gesellschaft ist bereits da.« Der Portier brachte uns zum Restaurant und reichte uns an den Oberkellner weiter. »Mr London.«
Der Kellner führte uns sogleich zu unserem Tisch im separaten Speisezimmer, das im hinteren Teil des Restaurants lag. Wir mussten uns zwischen den Gästen hindurchschlängeln, die an weiß gedeckten Tischen saßen; Kerzen, Blumen sowie Silber- und Glasgeschirr, das alles trug zu der exklusiven Atmosphäre bei. Ich sah ein Pärchen, das in einer Ecke Händchen hielt, der Mann strich mit seinem Daumen zärtlich über die Finger der Frau. Eine Regung, die sich verdächtig nach Kummer anfühlte, trieb mir Tränen in die Augen.
Yves.
Phee, wo bist du?
Ohne es zu wollen, hatte ich mich nach ihm ausgestreckt. Kasia warf mir einen bestürzten Blick zu. Ich schüttelte leise den Kopf und kappte die Verbindung, die ich aufgebaut hatte. Mit einem Nicken nahm sie zur Kenntnis, dass ich meinen Fehltritt korrigiert hatte.
Wir betraten das Speisezimmer, in dem sechs Männer um einen Tisch herum saßen, ihre Bodyguards standen hinter ihnen an der Wand. Sie erhoben sich höflich, um dem Seher die Hand zu schütteln.
»Meine Herren, ich hoffe, ich bin nicht zu spät?«, schnaufte der Seher, nachdem er vom Auto bis hierher gegangen war, ein Marathon für jemanden, der sonst die ganze Zeit auf dem Sofa verbrachte.
Ein rotblonder Mann, der am Kopf der Tafel saß, ergriff das Wort. »Nein, Mr London, wir haben gerade erst die Getränke bestellt. Ich bin New York.«
Der Seher lächelte leicht gequält. Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, dass die anderen vor seiner Ankunft bereits die Möglichkeit gehabt hatten, über ihn zu sprechen. »Schön, Sie endlich kennenzulernen.«
Die anderen murmelten reihum ihre Namen, als er sie begrüßte: Moskau, Beijing, Kuala Lumpur, Sydney, Mexico City. Keine echten Namen, nur Orte.
Der Seher bedeutete Kasia, Dragon und Unicorn mit einem Wink seiner Hand, sich zu den Bodyguards zu stellen, bevor er mich präsentierte: »Meine Tochter Phoenix.«
Mr New York ergriff meine Hand. »Bezaubernd.« Ich spürte, wie seine Gabe über mich hinwegstrich wie eine kühle Brise, während er versuchte, meine Stärke einzuschätzen. Ich sorgte
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