Saving Phoenix Die Macht der Seelen 2: Roman (German Edition)
du bist clever.«
»Genau genommen erwartest du von mir, dass ich blind in die Sache reingehe – wobei es durchaus möglich ist, dass derjenige, der mich führen soll, die Gefahren selbst nicht sieht. Ich werde es erst wissen, wenn es zu spät ist.«
Er dachte kurz darüber nach. »So in etwa. Andererseits solltest du in Betracht ziehen, dass die anderen ebenfalls blind sind – zumindest bestimmten Dingen gegenüber.«
»Das hoffe ich.«
»Das weiß ich.«
Zerzaust und barfuß saßen wir im Schneidersitz auf dem Bett und hatten gerade unser Picknick mit meinem kleinen Vorrat an Keksen und Wasser beendet, als der Seher uns rufen ließ. Es war mittlerweile später Nachmittag und ich hatte damit gerechnet, dass einer meiner Halbbrüder uns holen kommen würde, aber stattdessen stand Kasia an der Tür. Sie lächelte uns beide an.
»Das ist also dein Freund, Phoenix?« Sie musterte ihn anerkennend von Kopf bis Fuß.
Yves blickte mich fragend an.
»Das ist Kasia, Yves. Sie ist die Telepathie-Expertin des Sehers.« Ich hoffte, dass meine Warnung bei ihm angekommen war.
»Schön, Sie kennenzulernen«, sagte Yves höflich, stand auf und streckte ihr seine Hand entgegen.
Kasia nahm sie nur flüchtig. »Ich habe seit einigen Tagen deiner Stimme gelauscht; wie nett, dich jetzt in Fleisch und Blut kennenzulernen, Yves. Ihr werdet erwartet. Folgt mir.«
Ich schlüpfte in meine Schuhe und fuhr mir kurz mit der Bürste durchs Haar. Yves steckte sein Hemd in die Hose und setzte seine Brille auf. Wir waren bereit.
»Vertrau mir«, flüsterte er mir zu, als wir die sichere Wohnung verließen.
Auf dem Weg zur Wohnung des Sehers konnte ich beobachten, wie Yves sich veränderte. Er straffte die Schultern, sein Gang wurde eher ein Schreiten und er ging einen Tick schneller als ich, sodass ich ihm hinterherlaufen musste. Er trat als Erster durch die Tür.
»Yves, mein lieber Junge, ich entschuldige mich für mein vorheriges Misstrauen.« Der Seher erhob sich nicht, aber er forderte ihn mit einer Geste auf, neben ihm auf dem Sofa Platz zu nehmen. Unicorn und Dragon funkelten meinen Seelenspiegel aus ihrer Ecke bei dem großen Fernseher finster an. »Deine Informationen haben die Überprüfung in jeglicher Hinsicht bestanden. Meine Kollegen waren hocherfreut über die Details, die ich ihnen zukommen lassen konnte.«
»Sie haben die Informationen bereits weitergeleitet?«Yves runzelte die Stirn. »Aber ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie die Daten nicht von meinem Memory Stick herunterladen sollen.«
Der Seher machte eine wegwerfende Handbewegung. »Deine Daten sind für uns nicht von Nutzen, wenn wir sie nicht verbreiten dürfen, richtig? Dank deiner Hilfe kann das Savant-Netzwerk Stück für Stück zerschlagen werden. Langsam natürlich. Wir wollen nicht, dass sie Verdacht schöpfen, woher die Informationen stammen. Und deiner Familie wird kein Haar gekrümmt – das versteht sich von selbst.«
Weil der Seher die Benedicts brauchte, damit sie ihn weiter unwissentlich mit Informationen versorgten. Ich gab mich nicht der Illusion hin, dass sein Zugeständnis humanitäre Gründe hatte. Noch mehr erschütterte mich aber die Erkenntnis, dass Yves im Tausch für mich wirkliche Informationen preisgegeben hatte; er hatte genau das getan, was er angekündigt hatte: seine Familie und Freunde betrogen. Ich spürte den Schmerz wie einen Schlag in den Magen. Irgendwie hatte ich auf ein Wunder gehofft. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass seine Zuneigung zu mir seine Brüder und Sky zu Bauern machte, die er bereitwillig opferte.
Yves schnipste mit den Fingern. »Hey, Phee, komm hier rüber zu mir.«
»Wie?« Ich stemmte meine Hände in die Hüften und funkelte ihn an. Damit übertrieb er seine Rolle aber gewaltig.
»Du denkst zu viel nach. Mr Seher hat gesagt, ich bin mit im Boot, also schieb deinen Hintern hierher, wo ichihn sehen kann.« Er beugte sich zu dem Seher vor. »Sie hat noch immer nicht geschnallt, wie der Hase läuft ... die Dinge ändern sich einfach zu schnell für ihr winziges Hirn. Ich muss wie ein Schießhund auf sie aufpassen.«
Einerseits wollte ich ihm meine Faust in sein aufgeblasenes Ego rammen, andererseits lieferte er sich mir total aus. Ich war die einzige Vertrauensperson, die er noch hatte, wenn er das Band zu allen anderen zerschnitt. Als Ausdruck meiner Empörung stolzierte ich zum Sofa hinüber und nahm dort Platz, so weit von ihm entfernt wie nur möglich. Das ließ er mir nicht durchgehen.
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