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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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erinnert, vorher aber nicht.«
    »Nein, Sir. Das heißt, wenn ich früher gefragt worden wäre, hätte ich mich auch früher daran erinnert und den Brief erwähnt, aber da ich nicht danach gefragt wurde, habe ich ihn nicht für wichtig gehalten, Sir.«
    »Sie haben es also nicht für wichtig gehalten, daß dieser Mann wenige Stunden, bevor – vor seinem Tod – einen Brief erhielt?«
    »Nein, Sir. Ich habe gedacht, wenn er wichtig gewesen wäre, hätte die Polizei mich danach gefragt, Sir.«
    »Nun, James Fleming, ich halte Ihnen noch einmal vor, daß die Idee, Hauptmann Cathcart könne an dem Abend, bevor er starb, noch einen Brief erhalten haben, Ihnen nie gekommen ist, bevor sie Ihnen von der Verteidigung in den Kopf gesetzt wurde.«
    Der Zeuge, verwirrt von diesem etwas umständlichen Satz, gab eine konfuse Antwort, und Sir Wigmore sah sich im Saal um, als wollte er sagen: »Na bitte, seht euch diesen unsicheren Kantonisten an.«
    »Ich nehme an, daß Sie auch nicht auf den Gedanken gekommen sind, der Polizei etwas von den Briefen im Postsack zu sagen?«
    »Nein, Sir.«
    »Warum nicht?«
    »Ich habe nicht geglaubt, daß mir dies zukommt, Sir.«
    »Haben Sie überhaupt daran gedacht?«
    »Nein, Sir.«
    »Denken Sie überhaupt jemals?«
    »Nein, Sir – ich meine, ja, Sir.«
    »Dann denken Sie jetzt bitte gut darüber nach, was Sie sagen.«
    »Ja, Sir.«
    »Sie sagen, daß Sie diese ganzen wichtigen Briefe aus dem Haus getragen haben, ohne dazu ermächtigt gewesen zu sein und ohne die Polizei zu benachrichtigen?«
    »Ich hatte meine Anweisungen, Sir.«
    »Von wem?«
    »Es war ein Befehl von Seiner Gnaden, Sir.«
    »Ach! Ein Befehl von Seiner Gnaden. Wann haben Sie diesen Befehl bekommen?«
    »Es gehörte zu meinen ständigen Pflichten, Sir, jeden Morgen den Sack zur Post zu bringen.«
    »Und Sie sind nicht auf den Gedanken gekommen, daß in so einem Fall eine ordnungsgemäße Benachrichtigung der Polizei wichtiger sein könnte als die Befolgung Ihrer Anweisungen?«
    »Nein, Sir.«
    Sir Wigmore nahm mit angewiderter Miene wieder Platz, und Sir Impey übernahm den Zeugen.
    »Ist Ihnen die Sache mit dem Brief, den Sie Mr. Cathcart ausgehändigt hatten, zwischen dem Todestag und dem Tag, an dem Mr. Murbles mit Ihnen darüber sprach, nie durch den Kopf gegangen?«
    »Nun, durch den Kopf gegangen ist sie mir gewissermaßen schon, Sir.«
    »Wann war das?«
    »Vor der Geschworenenkammer, Sir.«
    »Und warum haben Sie da nichts davon gesagt?«
    »Der Herr dort hat gesagt, ich solle mich auf die Beantwortung der Fragen beschränken und nichts von mir aus sagen, Sir.«
    »Wer war denn dieser sehr gebieterische Herr?«
    »Der Vertreter der Anklage, Sir.«
    »Danke«, sagte Sir Impey befriedigt, setzte sich und lehnte sich zu Mr. Glibbery hinüber, um ihm etwas offenbar sehr Erheiterndes mitzuteilen.
    Der Frage nach dem Brief wurde im Verhör des Ehrenwerten Fred-dy weiter nachgegangen. Sir Wigmore Wrinching legte großes Gewicht auf die Versicherung des Zeugen, daß der Verstorbene am Mittwochabend beim Zubettgehen in ausgezeichneter Verfassung und bester Laune gewesen sei und von seiner bevorstehenden Heirat gesprochen habe.
    »Er kam mir besonders heißa vor, wissen Sie«, sagte der Ehrenwerte Freddy.
    »Besonders was?« erkundigte sich der Großhofmeister.
    »Heißa, Mylord«, sagte Sir Wigmore mit einer spöttischen Verbeugung.
    »Nun, ich weiß nicht, ob man dieses Wort so verwenden kann«, sagte Seine Lordschaft, indem er es mit besonderer Sorgfalt seinen Notizen einverleibte, »aber ich nehme an, es soll hier ein Synonym für heiter sein.«
    Der um seine Zustimmung gebetene Ehrenwerte Freddy meinte, er habe wohl mehr als heiter damit ausdrücken wollen, mehr lustig und strahlend, nicht wahr?
    »Können wir also annehmen, daß er vergnügten Geistes war?« riet der Verteidiger.
    »Nehmen Sie welchen Geist Sie wollen«, murmelte der Zeuge und ergänzte noch eine Spur fröhlicher: »Nimm 'nen Klaren von John MacLaren.«
    »Der Verstorbene war also ganz besonders fröhlich und guter Dinge, als er zu Bett ging«, sagte Sir Wigmore, die Stirn in furchtbare Falten gelegt, »und freute sich auf seine in naher Zukunft bevorstehende Heirat. Wäre das eine zutreffende Beschreibung seiner Verfassung?«
    Der Ehrenwerte Freddy stimmte dem zu.
    Sir Impey verzichtete auf ein Kreuzverhör des Zeugen hinsichtlich des Streites und kam gleich zur Sache.
    »Haben Sie noch irgendeine Erinnerung an die Briefe, die am Abend seines Todes

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