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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Schreibtisch gewesen sein, also hat Cathcart im Sessel gesessen. Ja, hat er – und dann hat er ihn so heftig zurückgestoßen, daß er den Teppich dabei verschoben hat. Hier kannst du's sehen! Soweit, so gut. Nun, und was hat er am Schreibtisch gemacht? Gelesen hat er nicht, sonst müßte hier ein Buch herumliegen, denn wir wissen ja, daß er hinausgerannt und nicht mehr wiedergekommen ist. Hat er geschrieben? Nein, das Löschblatt ist jungfräulich –«
    »Er könnte mit Bleistift geschrieben haben«, warf Parker ein.
    »Stimmt auch wieder, alter Spaßverderber. Gut, aber dann muß er das Blatt in die Tasche gesteckt haben, als Gerald hereinkam, denn hier liegt es nicht; das hat er aber auch nicht, denn bei seiner Leiche wurde es nicht gefunden; folglich hat er nicht geschrieben.«
    »Oder er hat das Blatt woanders weggeworfen«, sagte Parker. »Ich habe nämlich noch nicht das ganze Gelände abgesucht, und selbst wenn wir ganz knapp rechnen – indem wir nämlich davon ausgehen, daß der Schuß, den Hardraw um zehn vor zwölf gehört hat, der Schuß war –, haben wir eineinhalb Stunden, über die wir nichts wissen.«
    »Nun gut. Sagen wir also, nichts weist hier darauf hin, daß er geschrieben hat. Recht so? Gut, dann –«
    Lord Peter nahm eine Lupe aus der Tasche und untersuchte sorgfältig die ganze Sitzfläche des Sessels, bevor er sich hinsetzte.
    »Hier ist auch nichts, was uns weiterhilft«, sagte er. »Um weiterzukommen: Cathcart hat also hier gesessen, wo ich jetzt sitze. Geschrieben hat er nicht; er – sag mal, bist du sicher, daß in dem Zimmer nichts angerührt wurde?«
    »Ganz sicher.«
    »Dann hat er auch nicht geraucht.«
    »Wieso nicht? Er könnte den Zigarren-oder Zigarettenstummel ins Feuer geworfen haben, als Denver hereinkam.«
    »Keine Zigarette«, sagte Peter, »sonst müßten wir irgendwo Spuren finden – auf dem Fußboden oder im Kamin. Diese leichte Asche fliegt ja nur so herum. Aber eine Zigarre – ja, die könnte er vielleicht geraucht haben, ohne Spuren zu hinterlassen. Ich will's aber nicht hoffen.«
    »Wieso?«
    »Weil ich es lieber sähe, wenn Geralds Behauptungen einen kleinen Wahrheitsgehalt hätten. Ein aufgeregter Mensch setzt sich nicht gemütlich hin, um vor dem Zubettgehen noch eine Zigarre zu genießen, und geht dabei auch noch so liebevoll sorgsam mit der Asche um. Wenn andrerseits aber Freddy recht hat und Cathcart ausgesprochen gutgelaunt und mit sich und der Welt zufrieden war, hat er wahrscheinlich genau das getan.«
    »Glaubst du etwa, daß Mr. Arbuthnot das alles erfunden hat?« fragte Parker nachdenklich. »Den Eindruck macht er eigentlich nicht auf mich. Um so etwas zu erfinden, brauchte er eine gehörige Portion Phantasie und Bosheit, und beides traue ich ihm nicht zu.«
    »Ich weiß«, sagte Lord Peter. »Ich kenne Freddy mein Leben lang und weiß, daß er keiner Fliege was zuleide tun könnte. Außerdem hat er gar nicht soviel Grips, um sich jemals etwas auszudenken. Mich beunruhigt nur, daß Gerald eben auch nicht den Grips hat, um diese Komödie zwischen ihm und Cathcart zu erfinden.«
    »Andrerseits«, wandte Parker ein, »wenn wir für einen Augenblick unterstellen, daß er Cathcart doch erschossen hat, wäre das ein starker Ansporn für ihn gewesen, sie zu erfinden. Er würde alles daransetzen, seinen Kopf aus der – ich meine, wenn etwas Wichtiges auf dem Spiel steht, kann man sich oft nur wundern, wie sehr das die Sinne schärft. Und daß die Geschichte so weit hergeholt ist, spricht für einen ungeübten Märchenerzähler.«
    »Wie wahr, mein König! Nun, bisher hast du mir einen Strich durch alle meine Erkenntnisse gemacht. Tut aber nichts. Mein Haupt ist blutig, doch ungebeugt. Cathcart hat also hier gesessen –«
    »Das sagt dein Bruder.«
    »Hol dich der Kuckuck, ich sage, er hat hier gesessen; irgendwer hat hier jedenfalls gesessen; er hat seine vier Buchstaben deutlich ins Kissen gedrückt.«
    »Das könnte schon tagsüber gewesen sein.«
    »Ach was. Am Tag waren sie alle draußen. Du brauchst dein Sadduzäertum auch wieder nicht zu übertreiben, Charles. Ich sage, Cathcart hat hier gesessen und – hallo, hallo!«
    Er bückte sich und starrte in den Kamin.
    »Das ist ja verbranntes Papier, Charles.«
    »Ich weiß. Das hat mich gestern auch schon sehr interessiert, bis ich merkte, daß es in ein paar anderen Zimmern genauso war. Man läßt hier oft das Feuer in den Zimmern ausgehen, wenn tagsüber alle draußen sind, und zündet es dann eine

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