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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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gekommen. Pardon. Sehr ungezogen von mir. Entschuldigung!«
    »Keine Ursache, Mylord. Meine Mutter wohnt in Kent, Mylord, nicht weit von Maidstone. Fünfundsiebzig ist sie, Mylord, und eine überaus aktive Frau für ihr Alter, wenn Sie mir die Erwähnung gestatten. Ich war einer von sieben.«
    »Das ist eine Erfindung, Bunter. Ich weiß es besser. Sie sind einzig. Aber ich habe Sie unterbrochen. Sie wollten mir von Ihrer Mutter erzählen.«
    »Sie sagt immer, Tatsachen seien wie Kühe, Mylord. Wenn man ihnen nur fest genug in die Augen sieht, laufen sie meist weg. Sie ist eine sehr energische Frau, Mylord.«
    Lord Peter streckte impulsiv die Hand aus, aber Mr. Bunter war viel zu gut erzogen, um sie zu sehen. Er hatte bereits begonnen, das Rasiermesser abzustreichen. Lord Peter sprang plötzlich mit einem Satz aus dem Bett und rannte über den Flur ins Bad.
    Hier fand er so weit wieder zu sich, daß er die Stimme heben und »Come unto these Yellow Sands« anstimmen konnte, woraufhin er, da ihm gerade so recht nach Purcell zumute war, »I attempt from Love's Sickness to Fly« folgen ließ, was seine Laune so verbesserte, daß er gegen alle Gewohnheit etliche Liter kaltes Wasser in die Wanne laufen ließ und sich mit dem Schwamm von oben bis unten abrieb. Dann stürzte er, nachdem er sich kräftig trockengerubbelt hatte, aus dem Bad und stieß dabei recht unsanft mit dem Schienbein gegen den Deckel einer großen Eichentruhe, die neben dem Treppenaufgang stand – so unsanft, daß der Deckel dabei hochsprang und mit einem protestierenden Knall wieder zufiel.
    Lord Peter ließ ein paar kräftige Ausdrücke hören und rieb sich das schmerzende Bein. Doch plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er legte Handtücher, Seife, Schwamm, Bürste und die übrigen Utensilien ab und hob ruhig den Deckel der Truhe hoch.
    Ob er nun, wie die Heldin in Jane Austens Northanger Abbey , etwas Grausiges darin zu finden erwartete, war nicht ersichtlich. Sicher ist hingegen, daß er gleich ihr nichts weiter Aufregendes fand als ein paar säuberlich zusammengelegte Laken und Decken auf dem Truhenboden. Unzufrieden nahm er das oberste Laken behutsam heraus und betrachtete es eine Weile im Licht des Treppenfensters. Eben wollte er es leise pfeifend wieder an seinen Platz legen, als ein leises Zischen von heftig eingeatmeter Luft ihn erschrocken aufblicken ließ.
    Neben ihm stand seine Schwester. Er hatte sie nicht kommen hören, aber da stand sie in ihrem Morgenmantel, die Hände ängstlich vor der Brust ineinander verschlungen. Ihre Pupillen waren so geweitet, daß ihre blauen Augen fast schwarz wirkten, und ihre Haut hatte fast die gleiche Farbe wie ihr aschblondes Haar. Wimsey starrte sie über das Laken in seinen Armen an, und das Entsetzen in ihrem Gesicht griff auf ihn über, prägte sie beide plötzlich mit der geheimnisvollenÄhnlichkeit der Blutsverwandtschaft.
    Peters eigener Eindruck von sich selber war, daß er eine Minute lang glotzte »wie ein abgestochenes Schwein«. In Wahrheit aber wußte er, daß er sich nach einem Sekundenbruchteil wieder gefangen hatte. Er ließ das Laken in die Truhe fallen und stand auf.
    »Nanu, Polly, altes Mädchen«, sagte er, »wo hast du dich denn die ganze Zeit versteckt gehalten? Seh dich zum erstenmal. Du machst ja wohl ziemlich schlechte Zeiten durch.«
    Er legte den Arm um sie und fühlte, wie sie zusammenzuckte.
    »Was hast du denn?« fragte er. »Was ist los, Schwesterchen? Schau mal, Mary, wir haben ja bisher wenig voneinander gesehen, aber ich bin immerhin dein Bruder. Hast du Kummer? Kann ich dir nicht –«
    »Kummer?« sagte sie. »Peter, dummer Kerl, ich soll wohl keinen Kummer haben? Hast du noch nicht gehört, daß man meinen Verlobten umgebracht und meinen Bruder ins Gefängnis geworfen hat? Ist das nicht Kummer genug?« Sie lachte, und Peter dachte plötzlich: Sie redet wie in einem Kitschroman. Jetzt sprach sie aber in normalerem Ton weiter. »Ist ja schon gut, Peter. Wirklich – aber mir tut der Kopf so weh. Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich tue. Was suchst du da eigentlich? Du hast solchen Lärm gemacht, da bin ich herausgekommen. Ich hatte geglaubt, da sei eine Tür zugeschlagen.«
    »Du kriechst mal besser wieder unter die Decke«, sagte Lord Peter. »Sonst erkältest du dich noch. Warum müssen Frauen in diesem kalten Klima immer so spinnwebendünne Pyjamas tragen? Nun laß den Kopf nicht hängen. Ich schaue später mal rein, und dann halten wir beide ein gemütliches

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