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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Schwätzchen, ja?«
    »Heute nicht – bitte nicht heute, Peter. Ich werde noch verrückt.« (Wieder Kitschroman, dachte Peter.) »Machen sie Gerald heute den Prozeß?«
    »Einen Prozeß nicht direkt«, antwortete Peter, indem er sie sanft zu ihrem Zimmer schob. »Reine Formsache, verstehst du? So ein alter Friedensrichter hört sich die Klageschrift an, dann tritt Murbles auf und sagt, er möchte, bitte sehr, zur Sache nicht Stellung nehmen, da er den Verteidiger informieren muß. Das ist nämlich Biggy. Dann hören sie sich die Haftverfügung an, und Murbles sagt, daß Gerald sich seine Verteidigung vorbehält. Das ist alles bis zum Schwurgerichtsprozeß – alles nur Gewäsch. Der Prozeß dürfte Anfang nächsten Monats stattfinden. Bis dahin mußt du wieder obenauf sein.«
    Mary schauderte.
    »N-nein! Könnte ich davon nicht verschont bleiben? Ich kann das nicht noch einmal durchmachen. Ich würde krank. Ich fühle mich entsetzlich elend. Nein, komm nicht herein. Ich will nicht. Läute nach Ellen. Nein, laß mich; geh weg. Ich will dich nicht, Peter!«
    Peter zögerte leicht erschrocken.
    »Besser nicht, Mylord, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten«, hörte er Bunters Stimme an seinem Ohr. »Das gäbe nur einen hysterischen Anfall«, fuhr er fort, während er seinen Gebieter sanft von der Tür wegführte. »Eine Qual für beide Beteiligten und vom Ergebnis her völlig unproduktiv. Warten wir lieber auf die Rückkehr Ihrer Gnaden, der Herzogin.«
    »Völlig richtig«, sagte Peter. Er drehte sich um und wollte seine Sachen nehmen, aber Bunter kam ihm geschickt zuvor. Noch einmal hob er den Deckel hoch und sah in die Truhe.
    »Was sagten Sie noch, was Sie an diesem Rock gefunden haben, Bunter?«
    »Kies, Mylord, und Silbersand.«
    »Silbersand.«
    Hinter Riddlesdale Lodge streckte sich endlos das dunkle Moor aufwärts. Das Heidekraut war braun und naß, und die kleinen Bäche dazwischen hatten keine Farbe. Es war sechs Uhr, aber einen Sonnenuntergang gab es nicht. Den ganzen Tag war nur ein blasser Schimmer hinter einem bedeckten Himmel langsam von Osten nach Westen gewandert. Lord Peter, der nach langer, fruchtloser Jagd nach Informationen über den Mann mit dem Motorrad heimwärts wanderte, gab dem dumpfen Leiden seines Herdentriebs lauten Ausdruck. »Wäre Parker nur hier«, maulte er und stapfte weiter den sumpfigen Viehpfad hinunter.
    Sein Ziel war nicht direkt das Jagdhaus, sondern ein Gehöft namens Grider's Hole, das rund zweieinhalb Meilen davon entfernt lag. Es befand sich fast genau nördlich von Riddlesdale, ein einsamer Vorposten am Rande des Moors in einem fruchtbaren Tal zwischen zwei ausgedehnten Moorhügeln. Der Pfad wand sich von Whemmeling Fell, so hieß die Höhe, hinunter, führte um einen tückischen Sumpf herum und überquerte etwa eine halbe Meile vor dem Gehöft das Bächlein Ridd. Peter hatte kaum Hoffnung, in Grider's Hole etwas Neues zu erfahren, aber er war nun einmal grimmig entschlossen, wirklich jeden Stein umzudrehen. Insgeheim war er überzeugt, daß der Mann mit dem Motorrad, Parkers Ermittlungen zum Trotz, über die Landstraße gekommen und vielleicht direkt durch King's Fenton gefahren war, ohne anzuhalten oder sonstwie Aufmerksamkeit zu erregen. Doch er hatte versprochen, die Nachbarschaft zu durchkämmen, und Grider's Hole lag in der Nachbarschaft. Er blieb kurz stehen, um seine ausgegangene Pfeife wieder anzuzünden, dann stapfte er unbeirrt weiter. Der Weg war in regelmäßigen Abständen zuerst mit kräftigen weißen Pfosten markiert, später mit Hürden eingezäunt. Den Grund dafür verstand man sofort, wenn man ins Tal kam, denn nur ein paar Meter links vom Weg begannen die vereinzelten Büschel groben, schilfigen Grases zwischen schwabbeligem schwarzem Moor, das alles, was schwerer war als eine Bachstelze, im Nu inmitten blubbernder Bläschen verschluckte. Wimsey bückte sich nach einer leeren Sardinenbüchse, die furchtbar verbeult zu seinen Füßen lag, und schleuderte sie achtlos in den Sumpf. Sie schlug mit einem Geräusch, das einem feuchten Kuß ähnelte, auf der Oberfläche auf und war im nächsten Augenblick verschwunden. Jenem Instinkt folgend, der einen immer, wenn man gedrückter Stimmung ist, in trüben Gedanken schwelgen läßt, lehnte Peter sich traurig an eine Hürde und ergab sich schwermütigen Betrachtungen über 1. die Eitelkeit menschlichen Strebens; 2. die Unbeständigkeit allen Seins; 3. die erste Liebe; 4. den Verfall der Ideale; 5. die Nachwehen

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