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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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nichts gesehen.«
    »Na schön. Wenn Sie von jemandem hören, der ihn gesehen hat, sagen Sie mir Bescheid, ja? Hier steht mein Name drauf, und ich wohne im Jagdhaus Riddlesdale Lodge. Gute Nacht und nochmals vielen Dank.«
    Der Mann nahm die Karte entgegen und schlurfte ohne ein Wort des Abschieds zurück.
    Lord Peter ging langsam, den Mantelkragen hochgeschlagen und den Hut über die Augen gezogen. Diese kinoreife Episode sperrte sich gegen seine Logik. Mit Mühe brachte er ein wenigOrdnung in seine Überlegungen.
    »Erstens«, sagte er, »Mr. Grimethorpe. Ein Herr, der vor nichts zurückschreckt. Bärenstark. Unliebenswürdig. Ungastlich. Hervorstechendste Eigenschaft – Eifersucht auf seine erstaunlich hübsche Frau. War letzten Mittwoch und Donnerstag in Stapley, um Maschinen zu kaufen. (Hilfreicher Herr am Hoftor bestätigt das übrigens, so daß man es in diesem Stadium der Ermittlungen als brauchbares Alibi durchgehen lassen kann.) Hat darum unsern geheimnisvollen Freund mit dem Seitenwagengespann nicht gesehen, falls er da war. Ist aber geneigt, zu glauben, daß er da war, und zweifelt kaum am Grund seines Daseins. Was eine interessante Frage aufwirft. Wozu der Beiwagen? Ist doch lästig beim Fahren. Sehr gut. Aber wenn unser Freund wegen Mrs. G. hier war, hat er sie doch offenbar nicht mitgenommen. Wieder gut.
    Zweitens, Mrs. Grimethorpe. Ein ganz besonderer Punkt, beim Zeus!« Er blieb meditierend stehen, um einen erregenden Augenblick zu rekonstruieren. »Geben wir unumwunden zu, daß Schuhgröße 45, wenn er ihretwegen gekommen war, jede Entschuldigung hat. Ja! Mrs. G. lebt in ständiger Todesangst vor ihrem Mann, der sich nichts dabei denkt, sie auf bloßen Verdacht hin niederzuschlagen. Ich wollte – aber ich hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Bei so einer Bestie von Mann tut man einer Frau den größten Gefallen, wenn man sich von ihr fernhält. Hoffentlich gibt das nicht eines Tages noch einen Mord. Einer genügt schon. Wo war ich stehengeblieben?
    Aha, ja. Mrs. Grimethorpe weiß etwas – und kennt jemanden. Sie hat mich für jemanden gehalten, der allen Grund hatte, nicht nach Grider's Hole zu kommen. Wo mag sie nur gewesen sein, als ich mit Grimethorpe sprach? Im Zimmer nicht. Vielleicht hat das Kind sie gewarnt. Halt, nein, so geht's nicht. Dem Kind habe ich gesagt, wer ich bin. Aha, Moment! Geht mir ein Licht auf? Sie hat aus dem Fenster geschaut und einen Kerl in einem nicht mehr ganz neuen Burberry gesehen. Schuhgröße 45 ist ein Kerl in einem alten Burberry. Also, nehmen wir für einen Augenblick an, sie hält mich für Schuhgröße 45. Was macht sie? Vernünftigerweise bleibt sie außer Sichtweite – begreift nicht, wie ich so ein Narr sein und herkommen kann. Als Grimethorpe dann hinausrennt und nach den Hunden schreit, kommt sie unter Einsatz ihres Lebens heruntergeschlichen, um ihren – sagen wir kühn: Geliebten? zu warnen, daß er verschwinden soll. Sie entdeckt, daß er nicht ihr Geliebter ist, sondern nur ein blöd gaffender Esel von (wie ich fürchte) sehr entgegenkommendem Wesen. Neue peinliche Situation. Sie sagt dem Esel, er soll verschwinden, um sich und sie zu retten. Der Esel verschwindet – nicht eben anmutig. Die nächste Folge dieses berückenden Dramas sehen Sie demnächst in diesem Theater – wann? Das wüßte ich selbst nur zu gern.«
    Er trottete eine Zeitlang weiter.
    »Trotzdem«, gab er sich selbst die Antwort, »wird aus alldem nicht klarer, was Schuhgröße 45 am Riddlesdale Lodge gewollt hat.«
    Am Ende seiner Wanderung hatte er noch immer keine Lösung gefunden.
    »Was auch geschieht«, sagte er bei sich, »und wenn es geht, ohne ihr Leben in Gefahr zu bringen, muß ich Mrs. Grimethorpe wiedersehen.«

Die Rue St. Honoré und die Rue de la Paix
    »Ich glaube, es war die Katze.«
H. M. S. Pinafore
    Mr. Parker saß unglücklich in einem kleinen Appartement in der Rue St. Honoré. Es war drei Uhr nachmittags. Paris glänzte im Schein einer gedämpften, aber freundlichen Herbstsonne, doch das Zimmer lag nach Norden und wirkte bedrückend mit seinen dunklen, einfachen Möbeln und der Aura von Verlassenheit. Es war ein Männerzimmer, ganz im Stil eines diskreten Clubs eingerichtet; ein Zimmer, das unbeirrt das Geheimnis seines toten Bewohners wahrte. Zwei große, mit rotem Leder bezogene Sessel standen vor dem kalten Kamin. Auf dem Kaminsims stand eine bronzene Uhr, flankiert von zwei polierten deutschen Kartuschen, einem steinernen Tabakgefäß und einer

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