Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen
den kleinen Scherz mit einem leichten Zucken der Mundwinkel belohnte, »gegen diese Leute, die von sich behaupten, neunundfünfzig verschiedene Krankheiten mit ein und derselben Pille heilen zu können. Quangle & Hamper haben einige ihrer Kunden vorladen lassen, die bezeugen sollen, wie gut das Mittel ihnen getan hat. Es war ein Festschmaus für den Intellekt, Sir Impey mit ihnen umgehen zu hören. Er kann ja mit alten Damen unendlich freundlich sein. Als er eine sogar bat, dem hohen Gericht ihr Bein zu zeigen, kochte die Stimmung im Gerichtssaal über.«
»Und hat sie's gezeigt?« wollte Lord Peter wissen.
»Sie konnte es gar nicht erwarten, mein lieber Lord Peter, gar nicht erwarten.«
»Daß die überhaupt den Nerv hatten, sie vorzuladen!«
»Den Nerv?« sagte Mr. Murbles. »Die Nerven solcher Leute wie Quangle & Hamper haben ihresgleichen nicht im Universum, um es einmal mit dem großen Shakespeare zu sagen. Aber einem Sir Impey tanzt man nicht auf der Nase herum. Wir können von großem Glück sagen, daß wir ihn für diesen Fall gewonnen haben. – Ah, ich glaube, ich höre ihn!«
Eilige Schritte auf der Treppe verkündeten in der Tat das Nahen des großen Strafverteidigers, der noch in Perücke und Robe hereingestürzt kam und sich wortreich entschuldigte.
»Tut mir furchtbar leid, Murbles«, sagte Sir Impey. »Gegen Ende wurde es richtig ermüdend, dem Himmel sei's geklagt. Ich habe mein Bestes getan, aber der gute alte Dowson wird taub wie eine Nuß und immer tolpatschiger. – Und wie geht's Ihnen, Wimsey? Sie sehen aus, als ob Sie aus dem Krieg kämen. Können wir jemanden wegen tätlichen Angriffs verklagen?«
»Noch viel besser«, warf Mr. Murbles ein. »Mordversuch, wenn es Ihnen recht ist.«
»Ausgezeichnet, ausgezeichnet«, sagte Sir Impey.
»Aber wir haben beschlossen, keine Anzeige zu erstatten«, sagte Mr. Murbles kopfschüttelnd.
»Aber, aber! Mein lieber Wimsey, so geht das wirklich nicht. Wir Anwälte müssen doch von etwas leben. Ihre Schwester? Ich hatte nicht das Vergnügen, Sie in Riddlesdale kennenzulernen, Lady Mary. Wieder auf den Beinen, hoffe ich?«
»Völlig geheilt, danke«, sagte Lady Mary mit Nachdruck.
»Mr. Parker – Ihr Name ist mir natürlich ein Begriff. Unser guter Wimsey kann keinen Schritt ohne Sie gehen, soviel ich weiß. Murbles, stecken diese Herrschaften voll kostbarer Informationen? Ich interessiere mich nämlich ungemein für den Fall.«
»Aber jetzt im Moment nicht«, sagte der alte Anwalt.
»Da haben Sie recht. Im Augenblick interessiert mich nichts so sehr wie dieser exzellente Hammelrücken. Verzeihen Sie mir meine Gier.«
»Nun, nun«, machte Mr. Murbles mit verhaltenem Strahlen. »Dann wollen wir anfangen. Aber leider, meine lieben jungen Leute, bin ich altmodisch genug, mir diese neue Sitte des Cocktailtrinkens noch nicht angewöhnt zu haben.«
»Und das mit Recht«, betonte Wimsey. »Verdirbt den Geschmack und bringt die Verdauung durcheinander. Keine englische Sitte zudem – ein absolutes Sakrileg in diesem ehrwürdigen Hause. Kommt aus Amerika – die Folge: Prohibition. So geht es Leuten, die nicht zu trinken verstehen. Gerechter Himmel, Sir, Sie geben uns von Ihrem berühmten Roten. In dessen Gegenwart auch nur von Cocktail zu sprechen ist schon Sünde.«
»Jawohl«, sagte Mr. Murbles, »jawohl, das ist der 75er Lafite. Es kommt selten vor, sehr selten, daß ich ihn jemandem unter fünfzig anbiete – aber Sie, Lord Peter, verstehen ja mehr davon als einer, der doppelt so viele Jahre zählt wie Sie.«
»Vielen Dank, Sir; ein solches Lob weiß ich überaus zu schätzen. Darf ich die Flasche herumgehen lassen, Sir?«
»Bitte, bitte – wir bedienen uns alle selbst, Simpson, danke. Und nach dem Essen«, fuhr Mr. Murbles fort, »lade ich Sie ein, etwas wirklich Denkwürdiges zu kosten. Ein wunderlicher alter Klient von mir ist neulich gestorben und hat mir ein Dutzend Flaschen 47er Portwein vermacht.«
»Mein Gott!« rief Peter. »Einen 47er! Der dürfte doch kaum noch trinkbar sein.«
»Das fürchte ich auch«, antwortete Mr. Murbles. »Jammerschade darum. Aber ich finde, solch einer ehrwürdigen Antiquität sollte man irgendwie Respekt erweisen.«
»Es ist natürlich auch schon etwas, von sich sagen zu dürfen, daß man dergleichen gekostet hat«, sagte Peter. »Wie wenn es einem vergönnt wäre, die göttliche Sarah zu sehen. Stimme hin, Jugend hin, Charme hin – aber sie ist ein Stück Klassik.«
»O ja«, schwärmte Mr. Murbles.
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