Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk
sie mit dem Manuskript auf die Straße trat,
zitterte sie vor Kälte und zog sich den Pelz fester um den Hals. Auf dem Weg zur Post kam sie an dem Zeitungsverkäufer an der Ecke vorbei. Die rote Schrift seiner Plakate zog Miss Robbins’ Aufmerksamkeit an. Mit plötzlich klopfendem Herzen las sie: »LONDONER VERLEGER ERSCHOSSEN.«
Das Manuskript glitt ihr aus der Hand. Hastig hob sie es auf,
fummelte in ihrer Tasche nach einem Geldstück und kaufte sich das Evening Banner. Sie schlug die Zeitung auf, und da stand es:
Mr. Milton Ramp, der bekannte Verleger, wurde heute in seinem Büro erschossen aufgefunden, als seine Sekretärin vom Lunch zurückkam. Ein abgefeuerter Revolver lag neben ihm auf dem Boden. Mr. Ramp soll in letzter Zeit durch häusliche Schwierigkeiten und den Empfang anonymer Briefe beunruhigt worden sein.
Das Manuskript unter Miss Robbins’ Arm schien zu ungeheuer Größe anzuschwellen. Sie blickte auf und sah das Auge des Zeitungsverkäufers auf sich gerichtet – ein unnatürliches helles Auge wie das eines Habichts. Es erinnerte sie an das Kapitel in Mordehe, wo Major Hawke sich als Zeitungsverkäufer verkleidet hatte, um ein verdächtiges Haus zu beobachten. Sie eilte ins Studio zurück. Als sie die Haustreppe hinaufstürzte, blickte sie nervös über ihre Schulter. Im Nebel sah sie die trüben Umrisse einer massigen Gestalt, die auf der anderen Seite des Platzes dahinschritt. Sie trug einen Helm und ein Regencape.
Humphrey Podds Atelierwohnung lag im obersten Stock. Miss Robbins lief wie ein Wiesel alle drei Treppen hinauf, suchte Deckung und schloß die Tür hinter sich zu. Dann schielte sie durch die Vorhänge und sah, wie der Polizist mit dem Zeitungsverkäufer redete.
Gott sei Dank, dachte Miss Robbins, daß ich das Manuskript nicht abgeschickt habe! Sie riß die braune Hülle ab und warf stöhnend den Begleitbrief und das Titelblatt des Manuskripts ins Feuer. Dann saß sie zitternd da. Aber nicht lange. Da war ja noch der Durchschlag. Und ihr Stenogramm. Und die Geschichte selbst trug das unverkennbare Gepräge von Humphrey Podds Urheberschaft.
Miss Robbins blickte abermals aus dem Fenster. Der Polizist kam auf das Haus zu, blieb davor stehen und sah zu den Fenstern empor. Mit einem Schrei des Entsetzens stürzte Miss Robbins zum brennenden Ofen und stopfte das Manuskript hinein – Original – Durchschlag – Stenogrammblock –, was war sonst noch da? Das Heft für die Entwürfe, das mußte auch verschwinden. Ihre Hände zitterten, als sie die Seiten herausriß. Oh, und beinahe hätte sie das belastendste Beweisstück vergessen: das grüne Papier. Verzweifelt speiste sie die leckenden Flammen damit und schleuderte der Gründlichkeit halber auch die Feder und das Tintenfaß hinterher. Dann häufte sie frische Kohlen und Koks darauf.
Sie stand noch mit glühenden Wangen über den Ofen gebeugt, als sie Schritte auf der Treppe vernahm. Sofort stürzte sie an die Schreibmaschine und hämmerte nervös auf den Tasten herum. Eine Hand raspelte am Türgriff. Dann wurde ein Schlüssel ins Schloß gesteckt, und Mr. Podd trat ein.
»Was, Sie sind hier?« fragte er erstaunt. »Was machen Sie denn bei verschlossener Tür? Hören Sie mal, es ist etwas verdammt Ärgerliches passiert! Ramp, dieser Esel, hat sich eine Kugel durchs Gehirn gejagt, wenn er je eins besessen hat, und unsere ganze Reklameaktion ist für die Katz. Wir müssen wieder von vorn anfangen.«
»O Mr. Podd, ich bin so froh, daß Sie hier sind. Als ich den Polizisten sah, fürchtete ich, er würde Sie verhaften, und ich wußte nicht, wo ich Sie erreichen konnte, um Sie zu warnen.«
»Kein Wunder, daß Ramp etwas blaß um die Nase war«, fuhr Mr. Podd fort, ohne sie zu beachten. »Seine Frau hat sich mit einem anderen Mann eingelassen. Ramp hat Wind davon bekommen durch einige anonyme Briefe von einem entlassenen Dienstboten. Gestern abend gab es einen fürchterlichen Auftritt, und seine Frau ist getürmt. Und nun hat sich dieser Dummkopf erschossen. Ich habe mir diesen Gamble gekapert und die ganze Geschichte aus ihm herausgelotst. Hätte es mir auch früher sagen können, verdammt noch mal! Hat jetzt keinen Zweck mehr, etwas dorthin zu senden. Hoffentlich haben Sie das Manuskript noch nicht abgeschickt. Wenn ja, dann müssen wir es uns wieder holen und versuchen, es bei Sloop anzubringen. Aber was haben Sie denn, Miss Robbins?«
»O Mr. Podd!« heulte Miss Robbins. »Ich dachte … o Mr. Podd, ich habe die Manuskripte
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