Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk
Sie weiter unten an.« Sein Lächeln war verzerrt, aber sein Verstand funktionierte; es war nicht das erstemal, daß er von dieser Bühne »hinausgetragen« wurde. Die Träger befolgten seine mühsam hervorgebrachten Instruktionen und kamen gut durch die Kulissen. Scales war maßlos irritiert. Drury führte sich wieder einmal wunderbar auf. Mut, Geistesgegenwart, Rücksicht auf andere – genau die richtigen theatralischen Gesten. Konnte der Kerl selbst an der Schwelle des Todes nicht natürlich sein?
Sie erreichten seine Garderobe und legten ihn auf die Couch.
»Meine Frau«, begann Drury, »in Sussex. Erschrecken Sie sie nicht … sie hat Grippe gehabt … Herz nicht stark.«
»Schon gut, schon gut«, sagte Scales. Er fand ein Handtuch und ließ etwas Wasser in eine Schale laufen. Walter kam eilig herbei.
»Dr. Debenham ist nicht zu Hause, übers Wochenende fort.
Blake telefoniert nach einem andern. Was sollen wir tun, wenn sie alle nicht da sind? Ärzte dürften nicht so viel unterwegs sein.«
»Wir wollen den Polizeiarzt rufen«, sagte der Polizist. »Hier, halten Sie Ihren Daumen dahin, wo ich meinen habe. Fest drükken, und nicht lockerlassen.« Dann wandte er sich an die Taxifahrer. »Sie sehen jetzt am besten nach der jungen Dame. Mein Kollege müßte inzwischen erschienen sein. Und Sie«, wies er Scales an, »müssen hierbleiben. Ich brauche Ihre Aussage.«
»Ja, ja«, erwiderte Scales, der sich mit dem Handtuch zu schaffen machte.
»Mein Gesicht«, sagte Drury und hob nervös die Hand. »Ist mein Auge verletzt?«
»Nein, es ist nur die Kopfhaut. Sie dürfen sich nicht aufregen.«
»Sind Sie sicher? Besser tot als entstellt. Möchte nicht wie Florrie enden. Arme alte Florrie. Bestellen Sie ihr einen Gruß … Kopf hoch, Walter … Schlechter Abgang, nicht wahr? … Trinken Sie ein Glas Whisky … Sind Sie sicher, daß das Auge heil ist? … Sie sind nicht verletzt, Scales? Für Sie auch eine schöne Bescherung. Ende der Aufführungen …«
Scales, der gerade für sich und Walter Whisky eingoß, fuhr zusammen und hätte beinahe die Flasche fallen lassen. Ja, nun würden die Aufführungen aufhören. Vor einer Stunde hatte er um ein Wunder gebeten, um dies zu erreichen. Und das Wunder war geschehen. Und wenn Drury nicht die Geistesgegenwart gehabt hätte, die Blutung zu stoppen, wenn er nur eine Minute länger gewartet hätte, dann wäre es schon soweit: keine Aufführungen mehr, kein Film mehr, und das verfluchte Stück für alle Zeiten abgesetzt. Er trank den unverdünnten Whisky auf einen Zug aus und reichte Walter das zweite Glas. Es war, als habe er durch seine Wünsche das Geschehen herbeigeführt. Wenn er noch etwas kräftiger wünschte – Unsinn! Aber der Doktor kam nicht, und obgleich Walter sich wie der grimme Tod an die durchschnittene Arterie klammerte, sickerte doch das Blut aus den kleineren Adern durch den Stoff, durch den Verband … Es bestand immer noch eine Chance, immer noch die Wahrscheinlichkeit, immer noch die Hoffnung …
So ging das nicht weiter. Scales stürzte in den Gang, über die Bühne und dann in den Raum des Nachtwächters. Der Polizist telefonierte noch. Drurys Chauffeur stand, verstört und erregt, mit der Mütze in der Hand und redete mit den Taxifahrern. Die Autofahrerin war inzwischen ins Krankenhaus geschafft worden. Der Bezirkspolizeiarzt war zu einem dringenden Fall gerufen. Das nächste Hospital konnte im Moment keinen Arzt entbehren. Der Schutzmann versuchte, den Polizeiarzt des nächsten Bezirks zu erreichen. Scales kehrte wieder in das Ankleidezimmer zurück.
Die nächste halbe Stunde war wie ein Alptraum. Der Patient schwebte zwischen Bewußtsein und Bewußtlosigkeit und machte sich immer noch Gedanken über sein Gesicht, seinen Arm und das Stück. Und der rote Fleck auf der Couch wurde größer und größer …
Endlich trat mit emsiger Geschäftigkeit ein kleiner, untersetzter Mann ins Zimmer. Nach einem kurzen Blick auf den Patienten prüfte er dessen Puls, stellte ein paar Fragen und murmelte kopfschüttelnd etwas von Blutverlust, Zeitverlust und Schwäche. Der im Hintergrund stehende Polizist erwähnte, daß die Ambulanz eingetroffen sei.
»Unsinn«, sagte der Doktor. »Kann unmöglich transportiert werden. Muß hier an Ort und Stelle damit fertig werden.« Mit ein paar kurzen Worten des Lobes löste er Walter von seinem Posten ab. Mit raschen Bewegungen schnitt er den durchweichten Ärmel fort, legte eine richtige Aderpresse an, verabreichte dem
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