Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk
Patienten ein Stimulans und versicherte ihm nochmals, daß sein Auge nicht beschädigt sei und er nur einen Schock und den Blutverlust erlitten habe.
»Sie werden mir nicht den Arm abnehmen?« rief Drury, von einer neuen Angst befallen. »Ich bin Schauspieler … ich kann nicht … Sie dürfen das nicht tun, ohne es mir zu sagen!«
»Nein, nein, nein«, beruhigte ihn der Doktor. »Wir haben jetzt die Blutung unterbunden. Aber Sie müssen still liegen, sonst fängt sie von neuem an.«
»Werde ich ihn wieder gebrauchen können?« Die ausdrucksvollen Augen blickten dem Doktor forschend ins Gesicht. »Verzeihen Sie. Aber ein steifer Arm ist für mich genauso schlimm. Tun Sie Ihr Möglichstes! Sonst kann ich nie wieder auftreten … Außer im Bitteren Lorbeer. John, alter Bursche … komisch, nicht wahr? Komisch, daß es dieser Arm ist … Muß für den Rest meines Lebens von Ihrem Stück leben, das einzige, einzige Stück …«
»Gott bewahre!« rief Scales unwillkürlich.
»Jetzt muß ich hier freie Bahn haben«, erklärte der Doktor energisch. »Wachtmeister, lassen Sie das Zimmer räumen, und schicken Sie mir die Leute von der Ambulanz herein.«
»Kommen Sie mit«, sagte der Polizist. »Ich werde mir jetzt Ihre Aussage aufschreiben, Sir.«
»Ich bleibe hier!« protestierte Walter Hopkins. »Ich kann Mr. Drury nicht allein lassen. Ich werde Ihnen helfen …«
Irgendwie gelang es ihnen, den sich hysterisch sträubenden Walter in die gegenüberliegende Garderobe zu bringen, wo er auf der Kante eines Stuhles saß und bei jedem Laut von draußen auffuhr, während der Schutzmann die beiden Taxileute verhörte und entließ. Als Scales seine Aussage machte, steckte der Arzt den Kopf zur Tür herein und sagte:
»Ich möchte, daß einige von Ihnen sich in Bereitschaft halten, für den Fall, daß wir eine Blutübertragung machen müssen. Sie wissen wohl nicht zufällig, welcher Blutgruppe Sie angehören?«
»Ich bin bereit!« rief Walter voller Eifer. »Bitte, Sir, nehmen Sie mich! Ich würde den letzten Tropfen Blut für Mr. Drury hergeben, ich würde mein Leben für ihn opfern.«
»Das verlangt niemand von Ihnen. Wir brauchen nur einen halben Liter Blut – Kleinigkeit für einen gesunden Menschen. Regen Sie sich nicht so auf. Schön, daß Sie guten Willens sind, aber wenn Sie nicht die richtige Blutgruppe haben, kann ich Sie nicht gebrauchen.«
»Ich bin stark«, versicherte ihm Walter, »bin nie in meinem Leben krank gewesen.«
»Es hat mit Ihrem Gesundheitszustand nichts zu tun«, entgegnete der Arzt ein wenig ungeduldig. »Es ist etwas, das Sie bei der Geburt mitbekommen haben. Ich werde es zunächst mit den beiden Ambulanzleuten versuchen, aber leider hat der Patient eine seltene Blutgruppe. Deshalb möchte ich verschiedene Spender zur Hand haben. Gut, daß ich alles Nötige mitgebracht habe; Zeit ist ein wichtiger Faktor.«
Damit stürzte er wieder fort. Der Polizist steckte kopfschüttelnd sein Notizbuch ein.
»Weiß nicht, ob Blutspenden zu meinen Pflichten gehört«, brummte er. »Müßte eigentlich wieder in mein Revier. Will mir zunächst mal den Wagen ansehen. Dann komme ich wieder herein. Nanu, was wollen Sie denn hier?«
»Presse«, erwiderte der Mann, der an der Tür stand. »Es wurde bei uns angerufen, daß Mr. Drury schwer verletzt sei. Stimmt das? Tut mir sehr leid. Ah! Guten Abend, Mr. Scales. Das ist ja eine schreckliche Geschichte. Können Sie mir sagen …«
Hilflos wurde Scales von den Rädern der Presse erfaßt: Er gab einen Bericht von dem Unfall, äußerte die passenden Phrasen über Drury, was Drury für ihn, was er für das Stück getan hatte, zitierte Drurys Worte, verbreitete sich über seine Geistesgegenwart und seinen Mut – kurz und gut, er versah Drury mit einem Heiligenschein. Auch erwähnte er den seltsamen (und für den Reporter ergiebigen) Zufall, daß ausgerechnet derselbe Arm verletzt worden sei wie im Stück, und sprach die Hoffnung aus, daß die Rolle von der zweiten Besetzung weitergespielt werden könne, bis Drury sich genügend erholt habe. Mit jedem Wort, das er von sich gab, spürte er, wie eine Flut von Haß gegen Drury in ihm aufstieg. Um so mehr betonte er die ungeheure Dankbarkeit und die freundschaftlichen Gefühle, die er für Drury empfand, und sein verzweifeltes Verlangen, ihn bald wiederhergestellt zu sehen. Es war ihm, als könne er durch die ständige Wiederholung dieser Redensarten etwas Schreckliches in seinem Innern unterdrücken, das sich gegen
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