SB 121 – Mission Zeitbrücke
erzählst.«
»Ich dachte schon, dir wäre ein ganz und gar verrückter Gedanke gekommen.« Der Krane seufzte. »In der vergangenen Nacht wurde ein Bußbruder überfallen und beraubt. Der Räuber hat dessen Gewand und die Identifizierungsplakette an sich genommen. Seitdem achtet die Schutzgarde besonders auf Bußbrüder. Das Verbrechen ist abscheulich und verwerflich, an einem Büßer vergreift man sich nicht.«
Die Zunft der Bußbrüder, erzählte er, war vor wenigen Jahren entstanden. Die Ai, die sich auf Keryan niederließen, brachten ihre Religion mit sich, eine Mischung aus Animismus und Götterglauben. Entsprechend ausgebildete Ai wurden von den Behörden bevorzugt als Psychologen eingesetzt. Sie hatten eine besondere Art, Wesen mit seelischen Problemen zu helfen. Ihre Gabe rührte nicht von der Ausbildung her, sondern war ihnen angeboren. Als der Rest der Ai-Gemeinde dies erkannte, gingen auch unausgebildete Ai als sogenannte Wanderpsychologen auf den Straßen hausieren. Sie hatten ebenso viel Erfolg wie ihre geschulten Artgenossen. Allmählich legte sich das seltsame Handwerk eine religiöse Verbrämung zu, der Orden der Bußbrüder entstand. »Wir Kranen ließen sie gewähren, denn zu den Geboten unserer Religion gehört die Toleranz.«
Mallagan wurde nicht wohler zumute. Er hatte in der vergangenen Nacht eine Tat begangen, die von jedem als verabscheuungswürdig betrachtet wurde. Noch einmal nahm er sich vor, dem ausgeraubten Bußbruder den Schaden zu ersetzen und ihm obendrein ein Schmerzensgeld zu zahlen.
Fürs Erste allerdings kam es darauf an, dem Kranen auszureden, dass er sich als Bußbruder betätigen wollte. Die Vorstellung schien Clazzence erhebliches Unbehagen zu bereiten. Mallagan unterhielt sich eine Zeit lang mit ihm und zerstreute seine Bedenken. Im Verlauf der Unterhaltung erhielt er sogar noch einige wichtige Informationen, die er für sein Vorhaben brauchte.
Sie vereinbarten, dass Clazzence spät am Abend zurückkehren und sich die Entscheidung der Betschiden abholen sollte.
»Ich sehe nicht ein, warum wir uns auf derart waghalsige Dinge einlassen sollen«, schimpfte Brether Faddon. »Warum verkaufen wir nicht einfach unsere Waffen?«
»Wie viel würden wir dafür bekommen?«, hielt Mallagan ihm entgegen. »Außerdem können wir nicht alle hergeben, sonst sind wir schutzlos. Vier-bis fünfhundert Tali vielleicht. Das bringt uns nicht weiter.«
Scoutie lächelte. »Ich bin froh, dass noch keiner von euch auf den Gedanken gekommen ist, Clazzence als Geisel zu nehmen. Das wäre das Ende aller Probleme, nicht wahr?«
»Der Gedanke ist mir schon gekommen«, spottete Faddon. »Aber erstens ist er in gewissem Sinn unser Wohltäter, auch wenn er an uns eine schöne Stange Geld verdient. Zweitens bin ich nicht sicher, ob er uns nicht doch letzten Endes hereinlegen würde. Der Kerl kennt sich aus, verlass dich drauf.«
»Ganz meine Gedanken«, pflichtete Mallagan bei. »Du siehst, Scoutie, deine hohe Meinung von unserer Rechtschaffenheit ist nur zum Teil gerechtfertigt.«
Sie sah ihn an. »Du hast einen Plan. Aber du willst nicht darüber sprechen?«
»Es wäre nutzlos, obendrein ein zusätzliches Risiko. Niemand weiß, wie lange wir unentdeckt bleiben. Falls man euch erwischt, möchte ich nicht, dass ihr der Schutzgarde verraten könnt, wo ich zu finden bin.«
Surfo Mallagan verließ das Haus gegen Mittag. Am Morgen hatte sich ein tropischer Wolkenbruch über der Stadt entladen, nun schien die grelle Sonne vom wolkenlosen Himmel und ließ die durchgeweichten Straßen dampfen.
Der Brunnen der Waschungen lag im südwestlichen Stadtviertel, wo die Straßen eng und winklig waren. Ein einfaches, rundes Becken mit einer in der Mitte aufsteigenden Fontäne war vom Gründer der Kolonie Keryan als Zeichen seiner Dankbarkeit für den Erfolg seines Unternehmens errichtet worden. In den vergangenen Jahren hatten die Bußbrüder den Platz mit Beschlag belegt. Sie tilgten die Sünden ihrer Kunden mit rituellen Waschungen. Zu jeder Tages-und Nachtzeit war wenigstens ein halbes Dutzend Vermummter am Brunnen zu finden.
Mallagan führte das Ritual getreulich aus. Das schuldete er Virlirey. Der Platz lag im Sonnenglast und war, von der Gruppe schwarz Vermummter abgesehen, wie ausgestorben. Am Nordrand erhob sich unter einer Reihe älterer Gebäude eines, das sechs Stockwerke in die Höhe ragte. Über dem Haupteingang hing ein Leuchtschild Interstellares Handelskontor – Warenvermittlung. Auf
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