SB 121 – Mission Zeitbrücke
nie gewagt, bewohnte Systeme anzufliegen – sie durften die Sonnenwindpest nicht unvorsichtig verbreiten.
»Der Preis für unser Dasein ist der Tod«, sagte Chabzawah. »Wir können nichts daran ändern, und es hat keinen Sinn, dagegen aufzubegehren. Es ist so, wie es ist.«
Die Flotte der Seolis bewegte sich langsam durch den Raum. Die Schiffe hatten es nicht eilig, schließlich gab es kein Ziel, nur immerwährende Wanderschaft.
Die Flotte, knapp siebzig Schiffe stark, erreichte eine blassgelbe Sonne mit nur einem Planeten. Die Welt war gerade weit genug von ihrem Muttergestirn entfernt, um aus der Sicht der Seolis brauchbar zu sein.
Sonden wurden ausgeschickt, die sich bis auf hundert Kilometer dem Planeten näherten und Aufnahmen von seiner Oberfläche machten. Während die Techniker der Seolis damit beschäftigt waren, die Bilder auszuwerten, hockte Chabzawah in seiner Kammer und gab sich der Verzweiflung hin. Für Miritir war die Zeit der Eiablage gekommen, sie hatten Abschied voneinander genommen.
Die Bordlautsprecher quäkten. »Der Planet sieht gut aus; wir werden viele Rohstoffe an Bord nehmen können«, gab der neue Kommandant bekannt. Kuruzur war vor einer Woche zusammengebrochen und gestorben.
»Rohstoffe«, sagte Chabzawah im Selbstgespräch. »Was soll ich mit Rohstoffen?«
Miritir hatte sich eingeschlossen, wie es Sitte war. In der Regel brauchten die Frauen knapp eine Stunde, um ein Ei, selten zwei Eier zu legen. Nach vier bis fünf Stunden war es Sache der männlichen Seolis, sich um die Brut zu kümmern.
Drei Stunden waren erst vergangen, die Zeit schleppte sich langsam dahin. Chabzawah hörte ab und zu auf die Durchsagen, ansonsten versuchte er, nicht nachzudenken. Jede Überlegung wurde für ihn zur Qual.
Nach vier Stunden war Chabzawah dem Zusammenbruch nahe. Jetzt erst durfte er frühestens die Tür zum Nachbarraum öffnen, die Eier in Empfang nehmen und sie dem Brutkommando überantworten – danach blieb ihm die schreckliche Pflicht, Miritirs Überreste in feierlichem Bestattungsritual dem Konverter zu übergeben.
Er traute seinen Augen nicht, als die Tür plötzlich von selbst zur Seite schwang. Miritir erschien im Durchgang, sie sah entsetzlich aus, aber sie lebte.
Chabzawah fing die Zusammenbrechende auf und bettete sie auf eine Liege. Ihr Blut floss in ruhigem Tempo, er konnte es am Blutfenster sehen. Und das Wichtigste: Das Blut sah noch erstaunlich frisch und grün aus, als sei Miritir überhaupt nicht an der Sonnenwindpest erkrankt.
Er stürmte in die Eikammer. Im Raum hing der süße Geruch, der jeden Seoli sofort an Tod und Eiablage denken ließ. Auf dem Kissen lagen sechs Eier.
Eines wich von der Norm ab, es war größer und schimmerte in hellem Weiß, nicht grünlich wie die anderen. Trotzdem nahm Chabzawah seine Brut vorsichtig auf und legte ein Ei nach dem anderen in seine Bruttasche. Schließlich trat er auf den Gang hinaus. Die Vorbeikommenden konnten die gefüllte Bruttasche sehen und traten höflich zur Seite, als Chabzawah an ihnen vorbei zum Quartier des Brutkommandos eilte.
Am Schalter warteten bereits ein halbes Dutzend Väter darauf, ihre Brut den Spezialisten übergeben zu können. Die meisten weinten, denn sie hatten ihre Gefährtinnen verloren. Chabzawah versuchte, ein möglichst gleichgültiges Gesicht zu machen, obwohl er die Jubelkunde am liebsten laut hinausgeschrien hätte. Seine Frau lebte noch.
Die Brüterin hinter dem Schalter nahm die Eier in Empfang, kennzeichnete sie mit einem dünnen Brandstift und legte die Eier dann in die im Schalterraum gestapelten Brutzellen. Dort würden schließlich die kleinen Seolis schlüpfen.
»Sechs Stück, ich gratuliere.« Die Frau hinter dem Schalter malte die Kennzahlen auf die Schalen, unvermittelt stutzte sie und deutete auf das weiße Ei. »Das hier kann ich nicht mehr annehmen.«
»Warum nicht?«
»Es ist kein reguläres Ei. Sieh selbst – so sehen reguläre Eier aus. Dies ist keines.«
»Was ist es dann?«, fragte Chabzawah erregt.
Die Brüterin stieß ein ersticktes Wimmern aus. »Natürlich ist es ein Ei – aber ich kann es so nicht registrieren.«
»Ich möchte den Befehlshaber der Brutabteilung sprechen«, sagte Chabzawah energisch. »Auf der Stelle!«
»Wie du willst.«
Die Brüterin verschwand hinter ihrem Schalter. Chabzawah drehte sich ein wenig herum und sah in die Gesichter der anderen Väter. Ihre Mienen spiegelten Verärgerung wider, und Chabzawah konnte das verstehen. Viele
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