SB 121 – Mission Zeitbrücke
einmal mehr keine Heimstatt gefunden, an der sie friedlich hätten sterben können. Und mehr, als in Frieden und Harmonie ihr Dasein zu beenden, wünschten sie sich nicht.
Kuruzur sah seine Gliedmaßen an. Die braunen Flecke verrieten, dass er inzwischen ebenfalls erkrankt war – wie alle an Bord. Chabzawah bedachte den Kommandanten mit einem mitleidigen Blick. Seit Äonen waren sie unterwegs, die Wesen von Seol-O-Lorrath, stets mit der gleichen Aufgabe: Findet einen Platz, an dem wir sterben können!
Nicht, dass an Bord des Schiffes der Tod fremd gewesen wäre, es gab fast täglich ein Bestattungsritual an Bord. Aber es gab auch beinahe jeden Tag eine Geburt, und damit setzte sich das Unheil fort.
Lautlos und heimtückisch grassierte die Krankheit. Irgendwann hatte sie ihr erstes Opfer gefunden, ausgerechnet in den Reihen des Volkes, dessen Friedfertigkeit bekannt war. Niemals hatten die Seolis Krieg geführt – das Wort hatten sie schon einer fremden Sprache entnehmen müssen, da sie keinen eigenen Ausdruck für solche Gewalttaten hatten.
Kuruzur blickte auf die Projektion der umliegenden Sterne. »Gibt es in diesem Universum überhaupt noch einen Winkel, den wir aufsuchen könnten?«, fragte er.
Verfemt, verachtet, verstoßen, so zogen die Schiffe der Seolis durch den Kosmos. Ab und zu trafen sie auf unbewohnte Welten, dann sandten sie Roboter aus, die Erze herbeischafften, Rohstoffe, die für die Nahrungserstellung benötigt wurden. Nach jeder dieser Landungen mussten die Seolis tun, was ihnen zutiefst widerstrebte – sie vernichteten den betreffenden Planeten durch Atombrand. Und sie warteten stets, bis von der betreffenden Welt nichts mehr übrig war.
Denn mit sich schleppte die Flotte der Seolis die größte Geißel ihrer Existenz. Gegen die Sonnenwindpest gab es kein Heilmittel.
»Lasst die Maschinen hochfahren!«, befahl Kuruzur. »Du kannst gehen.«
Chabzawah verschränkte die Greifwerkzeuge vor der Stirn und verließ den Wohn-und Arbeitsraum des Kommandanten. Traurig suchte er seine eigene Wabe auf.
Miritir sah kaum auf, als er den engen Raum betrat. Sie bereitete das Nest. Die Arbeit fiel ihr schwer, denn sie war bereits stark von der Sonnenwindpest gezeichnet.
Es war das Grässliche an dieser Seuche, dass sie ihre Opfer nicht mit körperlichem Schmerz quälte. Sie ließ die Befallenen nur langsam dahinsiechen, immer schlaffer und müder werden. Irgendwann erschienen braune Flecke auf den Leibern, danach dauerte es nicht mehr lange, bis die Gliedmaßen des Körpers langsam wegfaulten. Eines Tages starb dann der Kranke. Es war ein sanfter Tod, aber er kam vor der Zeit; die meisten Seolis wurden gerade erwachsen und fingen an, sich fortzupflanzen – dann traf sie die Sonnenwindpest.
Chabzawah lehnte sich gegen die Wand. Eine ungeheure Müdigkeit hatte ihn ergriffen. Er wusste, dass ihm wahrscheinlich gerade noch Zeit genug bleiben würde, einen scheuen Blick auf seine Brut zu werfen, dann würde er zum Pflegefall werden. Das Höchste, was jeder Seoli kannte, war die Achtung vor dem Leben, und das schloss die eigene Existenz ein. Niemals wäre es einem eingefallen, fremdes Leben zu vernichten, noch weniger, Hand an sich selbst zu legen.
Seit Urzeiten, seit die Sonnenwindpest an Bord gekommen war, zog die Flotte von Seol-O-Lorrath ihre Bahn, berstend vor Leben, aber dennoch tausendfältigen Tod mit sich tragend. Jeder Seoli wusste, was fremdem Leben drohte, das von der Sonnenwindpest befallen wurde – es starb schnell und unter unglaublichen Qualen.
»Wann wird es so weit sein?« Chabzawah nahm aus dem Nahrungsbehälter einen Beutel mit Brei und saugte ihn langsam leer. Die Nahrung tat gut, konnte die Angst vor dem Tod aber nicht vertreiben.
Chabzawah las Mitleid in Miritirs großen dunklen Augen. Sie strich sich sanft über den Leib, es war schon höchste Zeit für die Eiablage. Er streckte einen Arm nach ihr aus, und ihre Hände berührten sich. Die meisten weiblichen Seolis überlebten den Tag der Eiablage nicht mehr – der Vorgang war zu anstrengend und kostete Energie, die der kranke Körper nur dann aufbrachte, wenn er die letzten Reserven mobilisierte.
»Was haben wir getan?« Miritir sah an Chabzawah vorbei. »Warum werden selbst die Ungeborenen so gestraft? Sie sind dem Tod verfallen, noch bevor sie richtig leben.«
Chabzawah legte den geleerten Nahrungsbeutel in das Fach zurück. Rohstoffe waren kostbar, sie mussten auf unbelebten Welten gewonnen werden. Die Seolis hatten es
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