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Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Titel: Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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Bürgermeister -, könnte man mit Fug und Recht behaupten, dass Karl Schroeder der »Gründervater« war. Er war es, der den Ball ins Rollen brachte, indem er die Idee zukünftiger Städte vorschlug, und er übernahm einen großen Teil der konzeptionellen Schwerarbeit für das Projekt, nicht weil es sonst niemand machen wollte – wirklich nicht, auf coole Ideen zu kommen war für diese Truppe überhaupt kein Problem -, sondern weil er Spaß daran hatte und weil er so viele coole Ideen entwickelte, dass wir anderen manchmal nur mit Mühe Schritt halten konnten. Dieser Typ ist ein Phänomen, Leute!
    Also passt es, dass seine Story nicht nur diese Anthologie beschließt, sondern auf ihre Art die Tür für eine neue Form von »Metatropolis« öffnet – eine andere Möglichkeit, wie sich Gesellschaften bilden können, wie sie aufgebaut werden, gedeihen und miteinander konkurrieren. Mehr werde ich nicht dazu sagen, um Ihnen nicht den Spaß zu verderben, den Sie mit dieser Geschichte haben werden. Und wenn Ihr Horizont bis jetzt noch nicht erweitert wurde, steht Ihnen nun eine atemberaubende Epiphanie bevor. Ich bin überzeugt, dass Ihnen diese Erfahrung gefallen wird.

    Sechzehn in Plastik eingeschweißte, gefrorene Rentiere bildeten einen Wald aus hochgereckten Beinen und Geweihen im Frachtcontainer des Sattelschleppers. Gennadi Malianow hob seine Taschenlampe, um den Laderaum in voller Länge überblicken zu können. Dann konsultierte er seinen Geigerzähler. »Alles klar, sie sind es«, sagte er.
    »Wirklich?«, fragte der schwedische Polizist. Von ihm waren nur die glatten, feuchten Flächen seines Ölzeugs im mitternächtlichen Nieselregen zu erkennen. Die Gebirgsstraße hinter ihm schimmerte silbern vor schwarzem Hintergrund und war nur stellenweise mit den roten und blauen Lichtern der Einsatzfahrzeuge betupft.
    Gennadi stieg wieder aus dem Container. »Wenn Sie glauben, dass es auf dieser Straße noch andere Lastwagen geben könnte, die radioaktive Rentiere geladen haben, müsste ich davon wissen.«
    Der Polizist lächelte nicht. Sein Atem bildete Nebelwolken in der Luft. »Es ist eine Frage der rechtlichen Zuständigkeit«, sagte er. »Wenn es nur um illegalen Fleischhandel ginge … aber das hier ist Terrorismus.«
    »Trotzdem«, sagte Gennadi nachdenklich. Er hatte sich bereits abgewandt, aber nun blieb er doch noch einmal stehen. Er blickte zurück auf die deformierten schockgefrorenen Kadaver und zog unbehaglich die Schultern hoch. »Ich hätte niemals gedacht, dass ich sie tatsächlich zu sehen bekomme.«
    »Wen?«
    Mit einer gewissen Verlegenheit nickte Gennadi in Richtung des Sattelschleppers. »Die berühmten Rentiere«, sagte er. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich sie eines Tages wirklich sehen würde.«
    » Spöklik «, murmelte der Polizist und entfernte sich.
    Gennadi warf noch einen letzten Blick in den Laderaum, dann ging er zu seinem Wagen, den Kopf zwischen die Schultern gezogen. Ein Lämpchen auf dem Armaturenbrett blinkte und verriet ihm, dass er die Mietdauer für das Fahrzeug überzogen hatte. Der Verkehr auf der E 18 war stärker als erwartet gewesen, wegen des Regens und weil die Polizei die Straße bei Arjang komplett gesperrt hatte. Im Geiste zog er die zusätzlich anfallende Mietgebühr von dem ab, was man ihm für dieses recht kurze Abenteuer zahlen würde.
    »Malianow?«, rief plötzlich jemand.
    »Was ist denn noch?« Mit einer Hand schirmte er seine Augen ab. Zwei Männer kamen von den Einsatzfahrzeugen über den schmalen Randstreifen auf ihn zu. Genau hinter ihnen stand ein Transporter ohne Blaulicht – ein großer, schwarzer, unheilvoller Umriss, der ihn an die paralegalen Polizeifahrzeuge in der Ukraine erinnerte. Die Männer hatten die typische Korpulenz von Polizisten in Zivil.
    »Sind Sie Gennadi Malianow?«, fragte der Erste auf Englisch. Der Regen perlte auf seinem kahlen Schädel.
    Gennadi nickte.
    »Arbeiten Sie für die IAEA? Sind Sie Waffenkontrolleur?«
    »Das habe ich zeitweise gemacht«, antwortete Gennadi unverbindlich.
    »Lane Hitchens«, sagte der Glatzkopf und streckte Gennadi seine kräftige Hand hin. »Interpol.«
    »Geht es um die Rentiere?«
    »Was für Rentiere?«, sagte Hitchens.
    Gennadi zog seine Hand zurück.
    »Das hier«, sagte er und zeigte auf den Kontrollpunkt, die Blaulichter, die gebeugten Gestalten der Tatverdächigen im Gefängniswagen. »Sind Sie nicht wegen dieser Geschichte hier?«
    Hitchens schüttelte den Kopf. »Ich habe lediglich

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