Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
Muschelgift präparierte Nadeln verschießt, müsste genügen, entscheidet sie.
Als Cardoza sich umdreht, sieht sie sich Mueslix gegenüber. Wie konnte er mir so nahe kommen?
»Du gehörst zum Sicherheitssubkomitee«, sagt er mit zitternder Stimme. »Du hast die Leute im Sägewerk ausspioniert.«
»Richtig«, antwortet sie. Die Lüge kommt ihr gelegen, und er glaubt ohnehin schon daran. Auf diese Weise lässt es sich vielleicht vermeiden, ihn zu töten.
Sie wird zu weich.
»Es war doch nur ein bisschen Dope.« Jetzt wimmert er.
Dope? , denkt sie. Das verstößt hier nicht einmal gegen die Regeln, solange man nicht mit Waffen oder empfindlichen Maschinen zu tun hat. »Hör mal, Junge«, sagt sie leicht entnervt. Sie sollte ihn wirklich töten – seine Leiche würde viel weniger Schwierigkeiten machen als alles, was er vielleicht zu Zazie oder irgendjemandem von den Subkomitees sagt. »Geh zurück in deinen Unterschlupf, verhalt dich still, und komm einen Tag lang oder so nicht raus, ganz gleich, was geschieht.«
»Hast du es auf Zazie abgesehen?« Jetzt klingt der Idiot beinahe begeistert.
»Ich werde dich ins Visier nehmen, wenn du nicht schleunigst von hier verschwindest und die verdammte Klappe hältst!«
Nun weicht er durch das Gebüsch zurück, in dem sich die Höhle mit dem Lager verbirgt. »Es t-tut mir leid«, sagt er von draußen.
»Mir auch, Junge«, erwidert Cardoza.
Trotz ihres Anfalls von Fatalismus überlegt sie sich bereits mögliche Fluchtwege, die sie nutzen könnte, nachdem sie Tygre ausgeschaltet hat.
KOMMUNION
Gloria Berry nimmt das Jagdmesser an sich, das sie für Notfälle benutzt.
Die Klinge ist länger als ihr Unterarm. Sie hat es sorgfältig geschwärzt, so dass nur noch die Schneide scharf und hell ist.
Plötzlich sind alle in höchster Alarmbereitschaft, und sie weiß ganz genau, warum. Tygre hat sie schließlich doch verraten.
Sie wird es ihm in seiner eigenen Währung zurückzahlen, in warmem Blut. Und wenn diese Närrin Anna Chao ihr im Weg steht, wird Gloria auch mit ihr eine Rechnung begleichen.
Wir sind beunruhigt, wir Bewohner der Stadt. Eine der Schüsseln aus Drahtgeflecht, die hoch in den Douglasfichten hängen, hat ein Signal empfangen und die Geister bestätigt, die in den Wochen, seit Tygre zu uns kam, knapp unterhalb der Überzeugungsschwelle gemurmelt haben.
Etwas ist im Anzug. Eine Bombardierung, ein Mord oder einfacher altmodischer Verrat. Es spielt keine Rolle. Die Jahre der Paranoia in Cascadiopolis tragen nun Früchte.
In einem anderen Lavatunnel namens Objektivität trifft sich die Bürgerexekutive zu einer seltenen geschlossenen Notsitzung. Tygre ist nicht anwesend. Es ist schon spät, und die meisten von uns sollten eigentlich schon seit Stunden schlafen.
»Jeder, der in den letzten Monaten in die Stadt gekommen ist«, ruft der Vorsitzende des Arbeitssubkomitees.
Fertigung und Handwerk schüttelt den Kopf. »Wir wissen bereits, wo das Problem liegt. Noch ein paar Wochen, und der Mistkerl lässt uns alle nach seiner Pfeife tanzen.«
»Glaubt ihr ernsthaft, dass Tygre Befehle von außen entgegennimmt?«, fragt Bashar leise.
»Das muss er gar nicht«, murmelt Fertigung und Handwerk. »Er ist auch so schon gefährlich genug.«
»Popularität ist keine Gefahr«, erwidert Bashar.
»Schon mal von Demagogie gehört?«, wirft der Vorsitzende von Politische Erziehung und Theorie ein.
Bashar zeigt ein leichtes, aber tödliches Lächeln. »Anführer erwachsen aus dem Volk.«
»Wir sind ein Kollektiv«, sagt der Vorsitzende der Exekutive. »Wir haben keine Anführer.«
In diesem Moment wird Bashar klar, dass sie verloren haben. Er steht auf. »Entschuldigt mich, aber ich muss die Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen überwachen.«
»Gegen einen Luftschlag ?«, will Arbeit wissen.
»Gegen Tygre, wenn ihr es unbedingt wissen wollt.« Bashar schüttelt den Kopf. »Und für ihn. So oder so.«
Ein Frage-und-Antwort-Spiel für Kinder, von Erziehern in der Anfangszeit von Cascadiopolis eingeführt:
Warum sind wir grün?
Weil die Natur grün ist.
Warum verstecken wir uns in den Bergen?
Weil die Natur in den Bergen lebt.
Wem vertrauen wir?
Uns. Und der Natur.
Wen fürchten wir?
Jeden, der von außen kommt.
Was werden wir tun?
Wachsen und wachsen, wie die Natur.
Bis wann?
Bis die Welt grün ist.
Tygre kehrt zur Küche zurück, wo er in der ersten Nacht gekocht hat. Es ist an der Zeit, wieder zu kochen. Wein zur Hochzeit, Wels und Maisbrot für die Menge,
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