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Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Titel: Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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bemerkt, dass sie ein Wiedererkennungszeichen waren, bis sie einen Penner mit zwei zu kurzen Hosen übereinander gesehen hatte, mit sieben Marken auf dem ungewaschenen Schlüsselbein. Er hatte einer Geschäftsfrau zugenickt, die ihm von zwei Bodyguards flankiert entgegengekommen war. Auf ihrer Schulter lag der Lederriemen einer Elektroniktasche, und an der Schlaufe des Riemens baumelten fünf Marken.
    Die Geschäftsfrau hatte kaum merklich gelächelt und zurückgenickt.

    Am Betonfundament eines umgebauten Lagerhauses schloss Cadie ihr Fahrrad an und stellte die Fernbedienung ein. An die Wand hatte jemand den Umriss eines grinsenden Mannes schabloniert, der eine auf dem Kopf stehende Pfeife rauchte. Falls das eine codierte Botschaft sein sollte, verstand Cadie sie nicht. Sie hetzte die Stufen zu einer verrosteten Stahltür hinauf, die früher einmal orange angestrichen gewesen war. Jemand hatte ihr gesagt, dass es auf Hindi kein Wort für die Farbe »Orange« gab. Es gab nur Gelb und Rot, und was dazwischen lag, musste einer der beiden Kategorien zugeordnet werden. Zuerst war ihr das seltsam vorgekommen, aber dann hatte sie erkannt, dass auch die Farben zwischen Blau und Grün keine eigenen Namen hatten. Sie wurden höchstens mit assoziativen Vergleichen bezeichnet – Zyan , Türkis oder Aquamarin . Aber waren diese Farben nicht genauso real wie Blau oder Grün? Hatten sie nicht genauso viel einzigartige Identität? Wer hatte entschieden, dass sie entweder das eine oder das andere sein mussten?
    Wenn man also eine andere Sprache benutzte und Orange nicht mehr Orange war, sondern zu Gelb wurde – was dann? Veränderte sich dann die Farbe oder nur die eigene Wahrnehmung der Farbe?
    Cadie sammelte sich und tippte neben der Tür ihren Code ein. Wer sich drinnen aufhielt, konnte sie über die Kameras sehen. Die Gesichtserkennungssoftware hatte sie bereits identifiziert, während der Fingerabdruckscanner einen blauen Lichtstrahl über ihre Fingerspitze streichen ließ. Wenn man nach der Intensität ging, hätte Cadie eigentlich einen kalten Schauder verspüren müssen.
    Die Redundanz multipler Systeme.
    Die verbeulte Tür rutschte ein Stück an den Scharnieren nach unten, als die Verriegelung ferngesteuert gelöst wurde. Cadie reckte die Schultern unter der ramponierten Jeansjacke, versetzte die dünnen Kettchen über den Brusttaschen in Schwingung und trat ein.

    Es war ein langer Fußweg, vorbei am Wachbüro, dessen Tür mit einem Holzkeil aufgehalten wurde. Der Wächter – ein großer, warmherziger Mann, der mit dem unmöglichen Namen Celsius Washington gestraft war – winkte ihr zu, wobei sein Marine-Corps-Ring und sein kahlgeschorener Kopf im Licht schimmerten. Sie winkte zurück. Er grinste mit fleischigen Lippen und lädierten weißen Zähnen. »Ihr kleines Mädchen hat sich gut rausgemacht, genauso wie ihre Mutter.«
    Cadie verdrehte die Augen und zeigte Cel den Finger, aber nicht so wie beim Kerl auf der Straße, sondern anders, mit mehr Eleganz und von einem Lächeln begleitet.
    Auch das waren codierte Signale. Manchmal war ein Finger einfach nur ein Finger. Und manchmal vermittelte er ein ganzes Bündel von Botschaften, für die der Finger nur die Trägerwelle war.
    Zum Beispiel wie Cel beide Hände aufs Herz legte, sich auf dem Stuhl zurücklehnte und den Kopf einnehmend zur Seite neigte. Beanspruchtes Metall knarrte unter seiner Gewichtsverlagerung. Cadie ging weiter und ließ den Finger noch einen Moment lang im Türrahmen stehen, bis ihr Arm ihn mitzog.
    Dann hörte sie den ganzen Weg durch den Korridor bis zum Empfang sein Lachen.
    Hier änderte sich der Charakter des Gebäudes. Von wiederbesetzter Bausubstanz mit schartigen Kacheln zu weichem Teppich in hellen Mischfarben, die komplementär zu denen der Wände und der Möbel waren. Der Empfangschef James hatte seine Anzugjacke aufgehängt und die Ärmel seines tadellos gebügelten Hemdes aufgerollt, aber seine Krawatte lag trotzdem ordentlich unter seinem Adamsapfel, und eine halbautomatische Pistole steckte in einem magnetischen Ring an seiner rechten Hüfte. Das Streulicht der Sicherheitsmonitoren unter der Konsole tönte ihn bläulich.
    »Hallo, Ms. Grange«, sagte er und berührte die Kontrollen seines Headsets, um sie anzukündigen, während er auf einen Stuhl neben der nächsten Sicherheitstür zeigte. James hielt einen Plastikumschlag hoch, während sie ein Butterflymesser mit durchbohrtem Stahlgriff und eine Dose Tränengas aus einer

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