Scarlett – Die Liebe hat Augen wie Eis, der Tod hat Augen wie Feuer: Roman
geklaut. »Dead Stones« hörte ich auch aus den lipglossglänzenden Mündern der Bad Girls aus der Dreizehnten, die auf den Stufen zum Haupteingang herumhingen und noch schnell eine Zigarette herumgehen ließen. »Dead Stones«, flüsterten zwei Mädchen, während sie langsam vor mir die Stufen hinaufgingen.
Kaum komme ich ins Klassenzimmer, da fällt Caterina schon über mich her: »Hast du dir was zum Umziehen mitgebracht?«
»Wofür denn?«
»Ich hatte dir doch erzählt, dass heute Nachmittag das Konzert zum Schuljahresbeginn stattfindet.« Etwas an ihr ist anders. Ja, genau! Der übliche Haarreif fehlt. Sie trägt die Haare offen, mit einem Seitenscheitel. Und bei genauerem Hinsehen scheint es mir, als hätte sie sich die Wimpern mit Mascara verlängert.
»Das steht dir gut, wenn du die Haare so trägst. Aber ich erinnere mich nicht an ein Konzert.«
»Findest du wirklich, dass ich so gut aussehe? Sie sind doch so glatt … und fallen mir übers Auge. Also, es kommt mir vor, als hätte ich einen Sehfehler. Aber ich versuche durchzuhalten. Und stimmt, jetzt wo ich darüber nachdenke, es kann schon sein, dass ich einfach angenommen habe, du wüsstest von dem Konzert, und dir deshalb nichts gesagt habe. Was ist mit Genziana? Hat sie dir auch nicht davon erzählt?«
»Vielleicht hat sie das Gleiche angenommen …«
»Heute spielen die Dead Stones!« Na, das war ja klar … Eine richtige Epidemie! Laura kommt zu uns, sie strahlt über das ganze Gesicht und ist ungewöhnlich aufreizend gekleidet: ein Stretch-T-Shirt mit tiefem Ausschnitt und eine schwarze Hose, die wie eine zweite Haut anliegt.
»Schon wieder diese Dead Stones? Anscheinend haben die Mädchen dieser Schule kein anderes Gesprächsthema mehr. Wer sind die denn eigentlich?«, frage ich.
»Du weißt nicht, wer die sind?« Laura prustet los. »Ja, dann … Ach übrigens, du hast doch was zum Umziehen dabei, oder?« Ihre Röntgenaugen mustern mich unerbittlich von oben bis unten.
»Und wenn nicht? Bin ich wirklich so unpassend angezogen für ein Konzert zum Schuljahresbeginn?« Meine Frage klingt wie eine flehentliche Bitte, sie möge Nein sagen.
»Natürlich nicht«, sagt Caterina, die gute Seele.
»Ja«, antwortet Laura.
Caterina ist wohl einfach zu nett, um zuzugeben, dass ich aussehe, als hätte ich blindlings in den Kleiderschrank gegriffen. Und das stimmt sogar …
Also, ich trage eine rosafarbene Jeans. Ich weiß, die sehen schrecklich nach Achtzigerjahre-Stil aus, aber sie sind eines der wenigen Geschenke von meinem Vater, und deshalb liebe ich sie. Vielleicht sollte ich wirklich mal meiner Mutter erlauben, an meinen Kleiderschrank zu gehen und dort ordentlich auszumisten. Wenn ich mich nämlich selbst daranmache, verliere ich mich jedes Mal in Erinnerungen, und letzten Endes kann ich nichts wegwerfen.
Und zu allem Überfluss habe ich zu der Jeans auch noch ein ausgeleiertes giftgrünes T-Shirt gewählt. Ich liebe dieses T-Shirt! Es stammt aus London, und wenn man ein wenig Fantasie aufbringt, riecht es immer noch ein wenig nach Camden Town. Ich habe es bestimmt schon tausendmal in die Wäsche gegeben. Vielleicht sieht es deshalb jetzt nicht mehr wie ein T-Shirt aus, sondern eher wie ein Bettlaken.
Und als wäre das alles noch nicht genug, hatte ich gestern Abend keine Lust, mir noch die Haare zu waschen, und trage sie deshalb jetzt zu einem unscheinbaren Pferdeschwanz zusammengebunden. Ausgerechnet heute, wo bei allen die Haare nur so glänzen! Ich hoffe, dass zumindest Genziana mehr an ihre Gewürzkräuter gedacht hat als an einen raffinierten Look für heute. Aber als sie hereinkommt, wie immer zu spät, haut sie uns alle vom Hocker. Sie trägt ein lila Minikleid und pflaumenfarbene Indianerstiefel. Mit ihren schlanken Beinen, die durch das kurze Kleid noch betont werden, sieht sie aus wie eine Gazelle kurz vor dem Sprung. Der violette Lidschatten betont das Grün ihrer Augen. Sie ist wunderschön! Und ich bin als Einzige völlig underdressed und sehe noch unscheinbarer aus als sonst. Ich überlege kurz, ob ich mir besser eine Ausrede einfallen lasse und gleich nach dem Unterricht nach Hause gehe. Was ist schon dabei, das Konzert zu Schuljahresbeginn zu verpassen? Oder ich könnte schnell nach Hause rennen und mich umziehen. Nein, Mama würde mich mit Fragen überschütten, und am Ende würden wir streiten, da bin ich mir sicher. Nein, ich werde schön hierbleiben, ich habe jede Menge innere Werte, sage ich mir, um mir Mut zu
Weitere Kostenlose Bücher