Scarpetta Factor
Ich sei ein Pharao, und sie sei meine Mutter.«
»Ich möchte mich vergewissern, dass wir von demselben Haus sprechen, also dem, wo Sie Ihren Angaben zufolge im vergangenen Juli gewesen sind und wo Sie zum letzten Mal mit Hannah geschlafen haben«, erwiderte Berger.
»Das Haus ihres Vaters. Es ist etwa achtzig Millionen wert. Dazu noch eine riesige Autosammlung und unglaubliche Antiquitäten und Kunstwerke. Die Wände und die Decken sind voller Gemälde von Michelangelo. Fresken nennt man das, glaube ich.«
»Ich bezweifle, dass sie von Michelangelo sind«, merkte Berger trocken an.
»Ungefähr hundert Jahre alt, einfach unbeschreiblich, und so groß wie ein ganzer Häuserblock. Bobby stammt auch aus einer reichen Familie. Also haben sie eine Geschäftspartnerschaft gegründet. Sie hat mir erzählt, dass sie noch nie Sex miteinander gehabt hätten. Nicht ein einziges Mal.«
Berger fiel auf, dass Hap Judd über Hannah weiter in der Vergangenheitsform sprach – so als wäre sie bereits tot.
»Ihr alter Herr hatte es satt, dass sie das verwöhnte Töchterchen spielte. Deshalb hat er verlangt, dass sie heiratet, um sicherzugehen, dass die Geschäfte auch gut geführt werden«, fuhr Judd fort. »Rupe wollte ihr nicht sein gesamtes Vermögen vererben, solange sie sich herumtrieb, alleinstehend war und nichts anderes tat, als Partys zu feiern. Zu guter Letzt wäre sie sicher an irgendeinen Idioten geraten, der das ganze Geld durchgebracht hätte. Das ist der Grund, warum sie Bobby betrogen hat. Eigentlich war es ja kein richtiger Ehebruch, weil sie eine andere Vereinbarung hatten.«
»Wann fing Ihre sexuelle Beziehung mit Hannah an?«
»Bei meinem ersten Besuch in der Villa. Sie war sehr nett zu mir. Es gibt einen Swimmingpool im Haus und einen riesigen Wellnessbereich. Es waren noch ein paar andere prominente Klienten da, und wir sind schwimmen gegangen. Anschließend gab es Drinks und ein Abendessen. Überall wimmelte es von Personal, und Dom Pérignon und Roederer Cristal flossen in Strömen. Als ich im Pool schwamm, hatte sie nur Augen für mich. Sie hat den ersten Schritt getan.«
»Also hat sie angefangen, als Sie im August vergangenen Jahres zum ersten Mal im Haus ihres Vaters waren?«
Lucy saß mit verschränkten Armen da, starrte ihn schweigend an und würdigte Berger keines Blickes.
»Ihr Verhalten war ziemlich offensichtlich«, meinte Judd. »Wo war Bobby währenddessen?«
»Keine Ahnung. Vielleicht hat er seinen neuen Porsche vorgeführt. Daran erinnere ich mich. Er hatte sich einen Carrera GT gekauft. Einen roten. Auf dem Foto, das überall in den Nachrichten gezeigt wird, ist dieses Auto drauf. Wenn Sie mich fragen, sollten Sie Bobby mal unter die Lupe nehmen. Wo war er, als Hannah verschwand?«
Bobby Fuller hatte sich am besagten Tag in der Wohnung in North Miami Beach aufgehalten, doch das wollte Berger ihm nicht auf die Nase binden.
»Wo waren Sie denn am Abend vor Thanksgiving?«, erkundigte sie sich stattdessen.
»Ich? Glauben Sie etwa, ich hätte sie umgebracht? Das ist doch absurd! Ich bin nicht gewalttätig. Das liegt mir nicht.«
Berger notierte sich, dass Judd annahm, Hannah sei Opfer eines Gewaltverbrechens geworden.
»Ich habe eine einfache Frage gestellt«, sagte sie. »Wo waren Sie am Abend vor Thanksgiving, also am Mittwoch, dem 26. November?«
»Da muss ich überlegen.« Sein Bein hatte wieder angefangen zu wippen. »Ich erinnere mich nicht, ehrlich.«
»Es ist erst drei Wochen her und war ein Feiertag. Und Sie erinnern sich nicht?«
»Moment. Ja, ich war in der Stadt. Am nächsten Tag bin ich nach L. A. geflogen. Ich fliege gern an Feiertagen, weil dann auf den Flughäfen nicht so viel los ist. Am Morgen des Thanksgiving-Tages bin ich nach L. A. geflogen.«
Berger machte sich eine Notiz in ihren Schreibblock. »Das werden wir überprüfen«, meinte sie zu Lucy. »Wissen Sie noch, mit welcher Fluggesellschaft?«, wandte sie sich an Judd.
»American. Gegen Mittag. Die Flugnummer habe ich vergessen. Ich feiere Thanksgiving nicht und mag keinen gefüllten Truthahn und so. Deshalb ist es für mich kein besonderer Tag, der Grund, warum es mir nicht gleich eingefallen ist.« Sein Bein wippte schneller. »Wahrscheinlich finden Sie das verdächtig.«
»Was soll ich verdächtig finden?«
»Sie verschwindet, und am nächsten Tag verlasse ich die Stadt«, entgegnete er.
15
Marinos Crown Victoria war mit einer Salzschicht überzogen, die ihn an seine eigene trockene, schuppige
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