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Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili Wilkinson
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kommt ihr an einen Ort, der heißt Schindelhütte. Ihr erkennt ihn an dem Lagerschuppen, der genauso aussieht wie der weiter unten an der Straße. Von dort aus führt ein Trampelpfad ungefähr eine Meile bis zum Fluss. Wenn ihr jetzt ein Stück flussabwärts geht, kommt ihr an einen Wasserfall. Da wartet ihr, bis es dunkel wird. Dann stellt ihr euch auf den Felsen und schaut über das Tal. Auf diese Weise werdet ihr ihn finden.«
    Molly schoss vor und drückte Appledore die Hand. »Vielen Dank«, sagte sie.
    Er wurde rot.
    »Denkt daran. Ich habe euch nicht gesehen und ihr habt mich nicht gesehen.«
    Allmählich drangen sie immer weiter in die Berge vor. Das Gelände auf den Höhen war steinig und karg und in den Tälern grün und feucht. Die Straße war oft morastig und Hannahs Rock war bald über und über mit Lehm verschmiert. Das Wasser in den Bächen, die sich hier und da munter plätschernd den Berg hinunterschlängelten,hatte eine braungelbe Färbung wie Tee. Es war eiskalt und schmeckte nach fetter Erde und intensiv duftendem Eukalyptus. Hannah fand den Geschmack köstlich.
    Sie teilte das Essen sorgfältig ein und hielt ständig Ausschau nach Äpfeln, Birnen oder anderem Essbaren. Aber die Bäume waren ihr alle fremd – allerdings hätte sie einen Apfel- oder Birnbaum auch nur erkannt, wenn er Früchte getragen hätte. Beeren und Nüsse fand sie nicht und die Pilze sahen so eigenartig und wild aus und hatten so merkwürdig kräftige Farben, dass Hannah es nicht wagte, sie zu berühren.
    Am Morgen des vierten Tages schaute Hannah erwartungsvoll nach der Schindelhütte aus. Das Wetter war klar und schön. Die Sonne brannte und kein Wölkchen stand am Himmel.
    »Hat Will Appledore nicht behauptet, wir würden Mr Bär bei einem Wasserfall finden?«, fragte Molly.
    »Ich weiß nicht genau«, sagte Hannah. »Vielleicht ist er es gar nicht.«
    »Doch, ganz bestimmt«, entgegnete Molly.
    Sie gingen eine Weile schweigend weiter, dann fragte Molly: »Wie sollen wir ihn denn nachts im Dunkeln erkennen?«
    Hannah zuckte die Achseln. »Womöglich kommt er zum Wasserfall, um frisches Wasser zu holen.«
    Molly blickte zum blauen Himmel hinauf.»Vielleicht zeigen uns die Sterne den Weg«, sagte sie träumerisch.
    Hannah lächelte, aber sie machte sich allmählich Sorgen. Sie waren jetzt genau vier Tage unterwegs – warum hatten sie die Hütte immer noch nicht erreicht? Waren sie aus Versehen daran vorbeigelaufen? Waren die Straßenarbeiter zurückgekehrt und hatten die Hütte abgebrochen? Hatte Will Appledore sie angelogen?
    Und wenn es gar nicht Thomas war, den er meinte gesehen zu haben?
    Als sie am Spätnachmittag über eine Höhe kamen, hätte Hannah vor Freude laut schreien können. Da war sie. Eingebettet in das Blätterwerk am Rand der Straße stand eine einfache, gedrungene Hütte. Molly klatschte in die Hände und tanzte vor Glück.
    »Wir kommen, Mr Bär!«, schrie sie.
    »Psst«, machte Hannah, »vielleicht sind noch Arbeiter in der Nähe.«
    Molly verstummte.
    Hannah schlich um die Hütte herum und betete, dass sie den Weg zum Wasserfall finden mochten, ohne auf einen Soldaten zu treffen, der ihnen auflauerte. Aber dawar er, ein Pfad, der grob durch das Unterholz geschlagen war. Hannah staunte, dass es so einfach sein sollte.
    »Komm, Molly, vor Einbruch der Dunkelheit können wir es bis zum Wasserfall schaffen.«
    Sie kämpften sich den Pfad entlang, der anscheinend seit Monaten nicht mehr benutzt worden war. Schlingpflanzen und hohes, spitzes Gras behinderten ihren Weg.
    Sie hörten den Wasserfall lange, bevor sie ihn sahen – ein dumpfes Dröhnen, das Hannah an die
Derby Ram
erinnerte, als sie Dr. Ullathorne im Sturm über Bord gestoßen hatte.
    Hannah ging erwartungsvoll weiter und ihre Lunge brannte. Die Luft kam ihr sehr dünn vor und das Atmen fiel ihr schwer. Molly war schon vorausgeklettert. Sie hörte sie leise singen.
    Hannah konzentrierte sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Der Schweiß rann ihr in die Augen, das Herz schlug ihr bis zum Hals und ihr Atem kam in rauen, schmerzhaften Stößen.
    Würden sie Thomas tatsächlich beim Wasserfall finden? Sie stellte sich vor, wie er über einen rasch dahineilenden Fluss gebeugt Wasser schöpfte oder sein Hemd auswusch. Er würde aufblicken, sobald er sie bemerkte, und vollkommen überwältigt sein. Dann würde er lächeln, ihr entgegenrennen und sie in seinen Armen auffangen … Mollys Singen hörte plötzlich auf. Hannah konnte sie nicht

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