Scatterheart
lautes Knacken die Stille, wenn ein verbrannter Ast zu schwach geworden war und, weiße Asche aufwirbelnd, zu Boden krachte.
Als sie an den Fuß des Hügels gelangten, schlich sich allmählich wieder etwas Grün in die Landschaft. Bald waren die Bäume nur noch an einer Seite verkohlt und das Unterholz erwachte wieder zum Leben. Der Hügel ging in eine lange grüne Schlucht über, durch die ein dünnes Rinnsal plätscherte. Sie tranken gierig und wuschen sich Ruß und Asche vom Gesicht.
»Wir können genauso gut am Bach weiterlaufen«, schlug Hannah vor und füllte ihre Wasserflasche auf.
Ihr Magen knurrte, aber von dem säuerlichen Rauchgeruch war ihr übel und schwindelig. Essen konnten sie auch später.
Die Luft war immer noch vom Brandgeruch durchdrungen, deshalb bemerkten sie das Lager erst, als sie durch ein dichtes Gehölz aus jungen Bäumen traten und plötzlich direkt davorstanden.
Sie befanden sich auf einer Lichtung, die von fünf oder sechs primitiven, aus Rindenstreifen und Ästen geflochtenen Hütten gesäumt war.
Zwanzig bis dreißig Männer, Frauen und Kinder lagerten um ein knisterndes Feuer. Ein knochiger gefleckter Hund lag mit geschlossenen Augen neben einem der Männer. Er hatte ihr Eindringen offenbar nicht bemerkt.
Die Menschen waren fast vollständig nackt. Als einzige Kleidungsstücke trugen sie lange Umhänge aus graubraunen Fellen, die mit einer Art dickem gelbem Zwirn zusammengenäht waren. Sie hatten lange schwarze, verfilzte Haare und die Männer dunkle Vollbärte. Eine der Frauen hielt einen Säugling im Arm, der an ihrer bloßen Brust saugte.
Auf einem rotgrauen Fell lag ein alter Mann mit tief zerfurchtem Gesicht und einem weißen struppigen Backenbart. Ein jüngerer beugte sich mit einer flachen braunen Schale über ihn. Sie schien Wasser zu enthalten.
Vier Männer erhoben sich und kamen auf Hannah und Molly zu.
Auf ihren Armen und Beinen und über ihre Nasen zogen sich weiße Linien entlang, als befänden sich ihre Knochen außerhalb des Körpers. Einer trug eine Kette aus Tierzähnen um den Hals, ein anderer hatte einen weißen Knochensplitter durch die Nase gebohrt. Ihre Körper waren mit Narben gemustert – eine sichelförmige Narbe über der linken Augenbraue oder eine kreuzförmige am Oberarm. Sie trugen lange tödliche Speere und ihre Arme und Beine waren dünn, aber sehnig und muskulös. Es bestand kein Zweifel, dass sie sehr stark waren.
Hannahs Wangen brannten, als sie die unverhohlene Nacktheit der Männer sah. Molly aber starrte sie neugierig an.
»Bitte, wir tun euch nichts«, sagte Hannah. Die Absurdität ihrer Worte und ihre aufsteigende Panik ließen sie in ein hysterisches Kichern ausbrechen.
Der Mann mit der Tierkette sagte etwas zu den anderen dreien. Seine Sprache klang völlig fremd in Hannahs Ohren – es hätte genauso gut das Bellen des Hundes am Feuer oder das Knattern des Windes im Segelwerk der
Derby Ram
sein können.
Ein anderer streckte seine Hand aus und berührte sanft Hannahs Haar. Es war mittlerweile vielleicht sieben Zentimeter lang, fettig und verfilzt. Der Mann schien sich für ihren geschorenen Kopf zu interessieren und rieb ihn mitseiner flachen Hand. Hannah bemerkte überrascht, dass sich seine schwarze Hautfarbe nicht auf die Handflächen erstreckte, die hell wie ihre eigenen waren.
Der Mann grinste plötzlich und entblößte dabei seine ungewöhnlich weißen Zähne. Er sagte etwas zu seinen Kameraden, worauf diese in Gelächter ausbrachen. Hannah versuchte zu lächeln und hoffte, das würde als gutes Zeichen gewertet werden.
»Was wollen die von uns?«, flüsterte Molly.
Kaum hatte sie den Mund aufgemacht, richteten die vier Männer ihre Aufmerksamkeit auf sie und rissen erstaunt die Augen auf, als sie ihr geschmolzenes Wachsgesicht sahen. Sie sprachen aufgeregt miteinander und strichen neugierig mit den Fingern über ihre Haut. Nun kamen auch die anderen Männer und Frauen herbei, scharten sich um Molly und berührten ihr Gesicht.
Molly stand stocksteif da. Sie war noch blasser als sonst und ihr eines Auge schielte misstrauisch auf die spitzen Speere, die die Krieger immer noch in ihren Händen hielten.
Einer der Männer legte seine Waffe beiseite und nahm Hannah behutsam, aber bestimmt die Tasche weg.
»He!«, rief Molly empört. »Die gehört uns!«
»Pst!«, machte Hannah. »Lass sie.«
Der Krieger durchwühlte ihre Sachen. Er schnüffelte neugierig am Brot und legte es beiseite. Anscheinend war es für ihn kein
Weitere Kostenlose Bücher