Scepter und Hammer
ihn behutsam vorwärts. Sie erreichten die verborgene Thür. Max lauschte eine Weile, und als er sich überzeugt hatte, daß hinter derselben nicht gesprochen wurde, öffnete er sie vorsichtig.
Das Bibliothekzimmer war dunkel, doch drang durch die Fenster ein Schein, welcher genügend war, die größeren Gegenstände zu erkennen. Aus dem Arbeitszimmer klangen zwei Stimmen herüber.
»Er ist noch da,« flüsterte Max. »Sollte einer von ihnen hier eintreten, so ist unser Versteck dort unter der Tafel, deren Decke uns verbirgt.«
Sie schlichen bis an die Portière und zogen sie ganz behutsam ein wenig auseinander. Der Herzog saß auf dem Sopha und Penentrier ihm gegenüber auf einem Stuhle. Die beiden Lauscher vermochten jedes ihrer Worte zu hören.
»Abbé, Sie sind wahrhaftig allwissend!« meinte eben der Herzog.
Das Gesicht des Rentier legte sich in eine höchst selbstgefällige Miene.
»Nicht ganz, denn allwissend ist nur Gott, Excellenz; aber was mir nothwendig ist zu erfahren, das pflegt mir niemals unbekannt zu bleiben. Doch ich bin mit meinen Mittheilungen noch nicht zu Ende. Sie haben Briefe von Ihren beiden süderländischen Agenten bekommen?«
»Sie meinen den früheren Direktor und Oberarzt unserer Irrenanstalt?«
»Ja.«
»Sie haben mir bereits öfters geschrieben.«
»Vortheilhaft?«
»Sehr.«
»Sie wissen, wo sich die Beiden befinden?«
»Natürlich, in der Hauptstadt.«
»Oder nicht, Durchlaucht. Die Briefe, welche Sie erhielten, sind unächt, und alle Ihre Zuschriften sind in falsche Hände gekommen.«
»Nicht möglich!« rief der Herzog aufspringend. »Wie so?«
»Die beiden Aerzte sind gar nicht nach Süderland gekommen. Man hat sie unterwegs aufgegriffen und hält sie irgendwo gefangen. Jedenfalls hat man sich auch ihrer Papiere bemächtigt.«
»Bei allen Teufeln, das wäre ja verdammt!«
»Es ist so. Man hat die Klugheit gehabt, auf unsere Taktik einzugehen, und zwei Beamte nach Süderland geschickt, welche dort für die beiden Aerzte gelten und mit Ihnen in der Weise in Verbindung stehen, daß sie von allen hin oder hergehenden Schriftstücken eine Abschrift nehmen und sie dem Könige einschicken.«
»Können Sie dies beweisen?«
»Ja. Hier ist der darauf bezügliche Brief meines Agenten. Er muß aus irgend einem Umstande Verdacht gezogen und die Beiden dann genau beobachtet haben. Er ist ein guter Zeichner und legt ihre Bilder bei.«
Der Herzog nahm den Brief und las ihn. Sein Gesicht wurde blaß.
»Ich muß es glauben!« knirschte er dann. »Wissen Sie, wo man die beiden Aerzte untergebracht hat?«
»Nein. Ich habe keine Nachforschungen anstellen können, weil ich diesen Brief erst heut erhielt.«
»Hier vermag der Fuhrmann Auskunft zu ertheilen.«
»Beyer? Bei ihm bin ich allerdings bereits gewesen. Er behauptet, sie richtig über die Grenze gebracht zu haben.«
»Werde ihn strenger in das Verhör nehmen! Es ist allerdings ein Glück, daß ich nur Nebensächliches durch die Hände der falschen Agenten gehen ließ, und daß alles mit unserer Chifferschrift geschrieben war, zu welcher der Schlüssel unmöglich zu finden ist.«
»So haben unsere schlauen Gegner also höchstens in Erfahrung gebracht, daß Sie in geheimen Verhandlungen mit dem süderländischen Hofe stehen. Wie weit sind Sie mit der Prinzessin Asta?«
Das Gesicht des Herzogs verfinsterte sich mehr.
»Nicht weiter als zuvor. Der Prinz ist abgereist, und die Prinzessin noch zurückzuhalten hat mich sehr viele Mühe gekostet. Sie scheint mehr zum Könige als zu mir zu inkliniren.«
»Und Ihr Sohn?«
»Gibt sich alle Mühe, aber ohne Erfolg.«
»Weiß sie von den geheimen Stipulationen?«
»Nein.«
»Ist ihr freie Entscheidung gelassen?«
»Sie wird auf alle Fälle die Frau meines Sohnes, obgleich sie bisher nur ahnt, weshalb sie nach Norland dirigirt wurde. Uebrigens hat sie nur noch auf drei Tage zugesagt.«
»Mir lieb.«
»Inwiefern?«
»Aus zwei Gründen. Erstens sind meine Vorbereitungen alle vollständig getroffen, und zweitens schließe ich aus mehreren Anzeichen, daß wir nicht mehr sicher sind. Irgend ein unbekanntes aber scharfes Auge bemüht sich, uns in die Karte zu sehen. Ich bin schon heut bereit, meine Minen spielen zu lassen. In der Bibliothek des Hofpredigers, wo man so etwas am wenigsten sucht, liegen die nöthigen Proklamationen und Flugblätter in vielen tausend Exemplaren; die ganze zivile Bevölkerung ist gewonnen, und ich hoffe, daß Sie sich auf die Armee ebenso verlassen
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