Schach mit einem Vampir
unbewaffnet in eine Situation geraten, wie sie sich in Harlem zugetragen hatte. Nun glaubte er, auf alles vorbereitet zu sein. Jedoch auf die Ereignisse, die unausweichlich auf ihn zurollten, war er nicht vorbereitet ...
***
Ein heftiges Hitzegewitter zog über dem nächtlichen Manhattan auf. Blitze zuckten vom Himmel und erleuchteten die Dunkelheit. Noch grollte der Donner aus der Ferne, doch das Unwetter kam rasend schnell auf die Millionenmetropole zugerollt. FBI-Agent Josef Harris blickte auf die Uhr an der Wand seines Büros. Es war wenige Minuten nach dreiundzwanzig Uhr. Draußen hatte die Stadt schon längst ihre Nachtbeleuchtung eingeschaltet. Er gähnte und streckte seine Glieder. Doch noch konnte er nicht an einen Feierabend und an sein gemütliches Zuhause denken. Er hatte sich vorgenommen, dem Privatdetektiv Steve Fraizer einen späten Besuch in seinem Haus abzustatten und ihn gegebenenfalls bei einem Verbrechen zu überraschen. Oder vielleicht würde Fraizer auch einen nächtlichen Ausflug unternehmen, der ihn dann als Täter überführte. Denn als Harris am späten Nachmittag versucht hatte, den Detektiv in seinem Büro zu observieren, ging er leer aus. Nun wollteHarris es in einem zweiten Anlauf probieren. Es war gut möglich, das Fraizer die Nacht des Unwetters ausnutzen, um einen weiteren Mord für seine Sekte durchzuführen. Denn je mehr der G-Man über die Person des Detektivs nachdachte, desto sicherer war er, dass dieser in die Mordfälle involviert war. Für Harris stand das felsenfest, mochte sein Kollege Tonelli auch anderer Meinung sein. Tonelli war noch relativ jung, zu unerfahren. Wie konnte er schon etwas über die Psyche eines Verbrechers wissen oder einen Menschen richtig einschätzen? Wie konnte sich Tonelli überhaupt anmaßen, die Einschätzungen seines Vorgesetzten infrage zu stellen? Mit all seinen Dienstjahren und Festnahmen im Auftrag der Gerechtigkeit war er Tonelli an Erfahrung haushoch überlegen. Dagegen wirkte der wie ein Junge, ein Grünschnabel. Der farbige FBI-Agent schaltete das Licht im Büro aus, verließ die Abteilung und fuhr mit dem Fahrstuhl hinunter in das FBI-eigene Parkhaus. Dort stand sein ziviler Dienstwagen, der dunkle Ford Crown Victoria. Gerade wollte er in den Wagen einsteigen, um mit der Beschattung des Detektivs zu beginnen, als er auf einen Zettel unter dem linken Scheibenwischergummi aufmerksam wurde. Er streckte sich danach, zog den Fetzen unter dem Wischblatt hervor und stieg dann in den Wagen ein. Eine Leselampe unter dem Himmel des Wagens half ihm beim Entziffern des kurzen Textes. Es handelte sich um eine persönliche Nachricht an ihn.
Habe wichtige Neuigkeiten zum Schachspieler. Bitte kommen Sie um Mitternacht zum Central Park, 110te Straße, Nord.
Darunter eine Unterschrift: Fraizer.
Harris konnte es kaum fassen und ihm stand vor Staunen der Mund offen. Er war wie vor den Kopf gestoßen. Wann und vor allen Dingen wie hatte Fraizer es geschafft, hier in das bewachte Parkdeck des FBI einzudringen und ihm den Zettel unter den Scheibenwischer zu klemmen? Und das, ohne von dem hervorragenden Wachpersonal entdeckt zu werden? Vermutlich hatte Fraizer die Sicherheitsmaßnahmen wie Kameras und das Wachpersonal auf irgendeineArt und Weise täuschen können. War dies nicht auch so ähnlich beim Mord an Fraizers Partner Phelps verlaufen? Und war diese Tatsache nicht auch ein weiterer Beweis für eine Schuld des Detektivs? Zumindest aber war es ein Indiz dafür. Harris sah wieder auf den Zettel. Sicher, Fraizer wollte ihn womöglich in eine Falle locken. Um diese Uhrzeit sollte er einen potenziellen Mordverdächtigen im Central Park treffen. Erschwerend kam hinzu, dass ein Unwetter aufzog und es dort somit keine Zeugen gab. Innerhalb kürzester Zeit wäre der Park eine der verlassensten Gegenden der Erde, obwohl er mitten im Herzen New Yorks lag! Kurz überlegte Harris, ob er Tonelli verständigen sollte. Gemeinsam würden sie dann keine Mühe haben, den Detektiv zu überwältigen. Doch der FBI-Agent verwarf den Gedanken so schnell wieder, wie dieser gekommen war. Er hatte genügend Berufserfahrung, um diesen Verbrecher selbst zur Strecke zu bringen. Zur Not, wenn Fraizer es nicht anders haben wollte, würde er von seiner Dienstwaffe Gebrauch machen. Harris zog die Schusswaffe aus seinem Gürtelholster und kontrollierte sie auf ihre Funktionsweise. Zweimal ließ er den Schlitten vor- und zurückgleiten, dann schob er ein neues Magazin ein und sicherte
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