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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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meine Beinmuskeln wieder richtig funktionieren. Und im Augenblick tun sie mir so sche ußlich weh, dass ich mich kaum rühren kann. Ich brauche ein Mittel, das die Schmerzen so weit dämpft, dass ich ein paar Sachen erledigen kann, aber mein Kopf muss klar bleiben - also nicht so was wie Codein, das einen gleich schachmatt setzt. Hast du da was für mich?«
    »Natürlich, eine Wunderdroge!« Lotty war sichtlich erheitert. »Du solltest nicht so viel Vertrauen zu Ärzten und Medikamenten haben, Vic. Ich werde dir mal eine Phenylbutazon-Spritze geben. So etwas kriegen die Rennpferde, damit sie während des Rennens keine Muskelschmerzen haben, und mir scheint, du galoppierst sowieso herum wie ein Pferd.«
    Sie verschwand für ein paar Minuten; ich hörte, wie sie den Kühlschrank öffnete. Mit einer Spritze und einer kleinen Flasche mit Gummistöpsel kam sie wieder. »So, jetzt leg dich hin. Wir spritzen das in deinen Po, dann gelangt es rasch in den Blutkreislauf. Zieh deine Hose ein bisschen runter. Ja, so. Tolles Zeug -
    wirklich. Es nennt sich kurz >Buta< und macht dich in einer halben Stunde fit fürs Derby, meine Liebe.«
    Lotty arbeitete zügig, während sie sprach. Ich spürte einen kleinen Stich, dann war es schon passiert.
    »Setz dich jetzt hin. Ich werde dir ein paar Geschichten aus der Klinik erzählen. Nachher gebe ich dir noch etwas Nepenthes mit. Das ist sehr starkes schmerzstillendes Zeug. Lass dein Auto stehen, wenn du es eingenommen hast, und trink keinen Alkohol. Ich pack' dir auch Buta in Tablettenform ein.«
    Ich lehnte mich in ein großes Kissen zurück und gab mir alle Mühe, mich nicht zu stark zu entspannen.
    Die Versuchung, mich auszustrecken und zu schlafen, war riesengroß. Ich musste mich zwingen, Lottys lebhaftem und intelligentem Geplauder zu folgen und Fragen zu stellen, ohne mich mit ihr über ihre teilweise abstrusen Ansichten zu streiten. Nach einiger Zeit spürte ich die Wirkung des Medikaments.
    Meine Nackenmuskeln entspannten sich zusehends. Zu Faustkämpfen war ich zwar noch nicht aufgelegt, aber ich war mir einigermaßen sicher, meinen Fahrkünsten wieder trauen zu können.
    Lotty machte keinen Versuch, mich aufzuhalten. »Du hast dich beinahe eine Stunde ausgeruht, das dürfte für ein Weilchen genügen.« Sie füllte die Buta-Tabletten in ein Plastikröhrchen und gab mir eine Flasche Nepenthes.
    Ich bedankte mich. »Was schulde ich dir?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ach, das sind alles Ärztemuster. Wenn du zu deiner schon längst überfälligen Generaluntersuchung kommst, kriegst du von mir eine Rechnung wie von jedem anderen guten Arzt aus der Michigan Avenue.«
    Sie brachte mich zur Tür. »Nun mal ganz im Ernst, Vic: Solltest du dir wegen Smeissen, diesem Dreckskerl, wirklich Sorgen machen, so steht dir jederzeit mein Gästezimmer zur Verfügung.« Ich bedankte mich bei ihr. Es war ein sehr freundliches Angebot - und noch dazu eines, auf das ich vielleicht zurückgreifen musste.
    Normalerweise wäre ich zu meinem Wagen zurückgelaufen; Lotty wohnte nur etwa acht Querstraßen von mir entfernt. Doch trotz der Spritze fühlte ich mich noch nicht völlig auf der Höhe, und so marschierte ich langsam hinüber zur Addison Street, wo ich mir ein Taxi nahm. Ich ließ mich zum Büro bringen, um Peter Thayers Visitenkarte mit der Adresse in Winnetka zu holen, und heuerte ein weiteres Taxi an, das mich zu meinem Wagen an der North Side fuhr. McGraw würde eine ganz hübsche Spesenrechnung von mir bekommen - jede Menge Taxifahrten, und dann noch das marineblaue Kostüm, das allein hundertsiebenundsechzig Dollar gekostet hatte.
    Das herrliche Wetter hatte viele Leute ins Freie gelockt. Auch meine Stimmung hob sich in der klaren, frischen Luft. Gegen zwei Uhr befand ich mich auf dem Edens Expressway in Richtung Nordufer. Ich begann, ein paar Takte der Mozart-Arie »Ch'io mi scordi di te« zu singen, aber mein Brustkorb legte Protest ein, sodass ich mich mit einem Konzert von Bartók im Radio zufrieden geben musste.
    Aus irgendwelchen mir unerfindlichen Gründen verliert der Edens Expressway an Schönheit, je weiter er in die Wohngebiete der Reichen vordringt. In der Nähe von Chicago wird er gesäumt von Rasenflächen und reizenden Bungalows, doch weiter draußen machen sich erst Einkaufszentren und dann Industrieanlagen und Drive-in-Restaurants breit. Als ich jedoch nach rechts in die Willow Road einbog und mich dem See näherte, bot sich meinem Blick eine sehr eindrucksvolle Szenerie

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