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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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genau, dass ich keine Smith & Wesson mit ins Haus gebracht habe. Gehen wir?«
    Ich lachte, gab aber keinen Kommentar ab. Lotty fuhr uns in die Nähe der Kreuzung Belmont Avenue/Sheridan Road. Im Weinkeller des Chesterton-Hotels speisten wir einfach und angenehm. Die einstige österreichische Weinhandlung war um ein winziges Restaurant erweitert worden. Lotty lobte den Kaffee und verzehrte dazu zwei Stück Wiener Cremetorte.
    Bei unserer Rückkehr in die Wohnung bestand ich darauf, Vorder- und Hintereingang zu überprüfen, aber es hatte sich niemand daran zu schaffen gemacht. Danach rief ich Larry Anderson an, den Inhaber des Reinigungsunternehmens, und beauftragte ihn, meine Wohnung wiederherzurichten. Nicht am nächsten Tag - da hatte er bereits eine größere Sache laufen -, aber er wollte sich am Dienstag mit seinen besten Leuten höchstpersönlich darum kümmern. Nicht der Rede wert, es sei ihm ein Vergnügen. Ich erwischte Ralph und verabredete mich mit ihm für den folgenden Abend zum Essen bei Ahab. »Was macht dein Gesicht?«, wollte er wissen.
    »Danke, schon viel besser. Morgen Abend dürftest du mich bereits einigermaßen präsentabel finden.«
    Um elf wünschte ich Lotty schläfrig gute Nacht und fiel ins Bett. Im Nu war ich entschlummert -
    versunken in der nachtschwarzen Leere des absoluten Nichts. Später begann ich zu träumen. Ich sah die roten venezianischen Gläser aufgereiht auf dem Wohnzimmertisch meiner Mutter. »So, Vicki, nun musst du das hohe C singen und es auch halten«, forderte sie. Mit unglaublicher Anstrengung schaffte ich es, den Ton zu erreichen. Unter meinen entsetzten Blicken verflüssigten sich die roten Gläser und liefen in einer roten Lache zusammen. Es war das Blut meiner Mutter. Mit unmenschlicher Willenskraft gelang es mir, mich an dieser Stelle aus dem Schlaf zu reißen. Das Telefon klingelte.
    Lotty hatte bereits abgehoben, bis ich mich in der fremden Umgebung endlich orientiert hatte. Als ich den Hörer in die Hand nahm, konnte ich sie mit ihrer frischen, beruhigenden Stimme sagen hören: »Ja, hier spricht Dr. Herschel.« Ich legte auf und schielte nach dem Wecker: 5 Uhr 13. Arme Lotty, dachte ich. Was für ein Leben! Dann rollte ich mich wieder zusammen, um weiterzuschlafen.
    Das Läuten des Telefons brachte mich mehrere Stunden später erneut in die Wirklichkeit zurück. Ich entsann mich noch dunkel des ersten Anrufs und fragte mich, während ich nach dem Hörer angelte, ob Lotty wohl schon zurück war. »Hallo?«, meldete ich mich, hörte aber Lotty bereits am anderen Apparat. Ich wollte schon auflegen, als ich ein schwankendes Stimmchen vernahm: »Ist Miss Warshawski zu sprechen?«
    »Ja, am Apparat. Was gibt's denn?« Ich hörte das Klicken, als Lotty den Hörer auflegte.
    »Hier ist Jill Thayer«, verkündete das unsichere Stimmchen, um Festigkeit bemüht. »Können Sie bitte zu uns herauskommen?«
    »Du meinst, jetzt sofort?«
    »Ja«, hauchte sie.
    »Aber sicher, natürlich. Ich komme gleich. Sagst du mir, was los ist?« Ich hatte den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt und zog mir etwas an. Es war halb acht; Lottys Vorhänge aus grobem Leinen ließen so viel Licht herein, dass ich in meine Kleider fand.
    »Es ist - ich kann jetzt nicht reden. Meine Mutter ruft nach mir. Bitte kommen Sie - bitte!«
    »In Ordnung, Jill. Halte die Stellung. Ich bin in vierzig Minuten da.« Ich legte auf und zog mich hastig vollständig an. Ich war in die Sachen vom Vorabend geschlüpft und hatte auch den Revolver unter meiner linken Schulter nicht vergessen. In der Küche blieb ich kurz bei Lotty stehen, die gerade ihren Toast aß und dazu den unvermeidlichen starken Wiener Kaffee trank.
    »Nun«, meinte sie, »schon der zweite Notfall heute? Bei meinem handelte es sich um ein unvernünftiges Kind mit starken Blutungen wegen einer stümperhaften Abtreibung - bloß, weil sie sich zunächst nicht zu mir traute.« Sie verzog das Gesicht. »Und natürlich sollte die Mutter nichts davon erfahren. Was gibt's bei dir?«

    »Auf nach Winnetka. Ein zweites Kind, aber lieb, nicht unvernünftig.« Lotty hatte die Sun-Times aufgeschlagen vor sich. »Gibt's bei den Thayers was Neues? Sie hörte sich ziemlich verängstigt an.«
    Sie goss mir eine Tasse Kaffee ein, die ich brühheiß hinunterstürzte, während ich die Zeitung durchblätterte, ohne jedoch etwas zu entdecken. Ich zuckte die Achseln, nahm von Lotty eine Scheibe gebutterten Toast entgegen, küsste sie auf die Wange - und schon

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