Schadensersatz
die Fahrt angenehm. Weit draußen war der See von Segelbooten übersät. In Ufernähe sah man ein paar Schwimmer. Das Spiel befand sich in der Ausgangsphase der dritten Runde, Kingman war am Schlagen. Zwei zu null für St. Louis. Auch die Cubs hatten erfolglose Tage - sogar mehr als ich, höchstwahrscheinlich.
Ich parkte im Bereich des Einkaufszentrums hinter der Thayerschen Wohnung und betrat zum zweiten Mal das Gebäude. Die Hühnerknochen waren verschwunden, der Uringestank geblieben. Niemand war im Treppenhaus, der meine Aufenthaltsberechtigung in Frage gestellt hätte, und es bereitete mir keinerlei Schwierigkeiten, den passenden Schlüssel für die Tür im dritten Stock zu finden.
Eigentlich hätte ich auf das wüste Durcheinander vorbereitet sein müssen, doch ich wurde völlig unvermutet damit konfrontiert. Als ich zum ersten Mal hier war, hatte in der Wohnung lediglich die für eine Studentenbehausung typische gemäßigte Unordnung geherrscht. Nun waren hier dieselben Hände am Werk gewesen wie in meiner Wohnung. Ich schüttelte den Kopf, um klarer denken zu können. Natürlich.
Sie vermissten etwas, und hier hatten sie zuerst danach gesucht. Erst nachdem sie es nicht gefunden hatten, waren sie zu mir gekommen. Ich pfiff leise durch die Zähne - die Einleitungstakte zum dritten Akt von Simon Boccanegra - und versuchte, mir zu überlegen, wie ich nun vorgehen wollte. Was mochte wohl fehlen? Es handelte sich höchstwahrscheinlich um irgendein Schriftstück. Vielleicht der Beweis für einen Betrug, vielleicht auch ein Bild, aber meiner Meinung nach ganz sicher kein größerer Gegenstand.
Die Vermutung lag nahe, dass sich das Dokument nicht mehr in der Wohnung befand. Der junge Thayer konnte es Anita ausgehändigt haben. War es in ihrem Besitz, dann schwebte sie in noch größerer Gefahr, als ich bisher angenommen hatte. Ich kratzte mich am Kopf. Es sah ganz danach aus, als hätten Smeissens Jungs alle Möglichkeiten berücksichtigt - Sofakissen waren aufgeschlitzt, auf dem Boden lagen Bücher und Papiere verstreut. Ich entschloss mich anzunehmen, dass sie alles gründlich durchgegangen waren - Seite für Seite; und so etwas tat man ja nur, wenn die Suche erfolglos geblieben war. In einer Studentenwohnung mit Hunderten von Büchern nahm eine so detaillierte Suchaktion eine gehörige Menge Zeit in Anspruch. Lediglich die Fußböden und die installierten Geräte waren noch intakt. Ich durchforschte die Räume systematisch nach losen Dielenbrettern oder Kacheln. Es gelang mir, einige ausfindig zu machen, und ich hob sie mit Hilfe eines Hammers ab, den ich unter dem Spülbecken in der Küche gefunden hatte. Doch außer etlichen schon länger vorhandenen Termitenschäden förderte ich nichts Interessantes zu Tage. Danach nahm ich mir im Badezimmer eine Installation nach der anderen vor, untersuchte die Dusche, die Toilette und die Abflussrohre des Waschbeckens. Es war ein ordentliches Stück Arbeit. Ich musste zwischendurch aus meinem Auto Werkzeug holen und in die Kellerräume einbrechen, um das Wasser abzustellen. Mehr als eine Stunde benötigte ich, um die rostigen Rohrmuffen zu lösen und abzuschrauben. Es überraschte mich nicht besonders, nur Wasser darin zu finden. Hätte hier schon jemand nachgesehen, so wären die Gewinde gängiger gewesen.
Die Sonne ging gerade unter, als ich um 18 Uhr 30 zurück in die Küche kam. Der Stuhl, auf dem Peter Thayer gesessen hatte, hatte mit der Lehne zum Herd gestanden. Natürlich war die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass das fragliche Beweisstück gar nicht absichtlich versteckt worden, sondern nur heruntergefallen war. Ein Stück Papier konnte leicht unbemerkt unter den Herd rutschen. Ich legte mich auf den Bauch und leuchtete mit der Taschenlampe darunter. Leider konnte ich nichts sehen; der Spalt war ziemlich schmal. Wie gründlich wollte ich die Sache machen? Mir taten die Muskeln weh, und mein Phenylbutazon hatte ich bei Lotty zurückgelassen. Trotzdem ging ich ins Wohnzimmer, um ein paar Ziegelsteine unter dem provisorischen Bücherregal zu entfernen und herüberzuholen. Mit dem Wagenheber aus meinem Kofferraum und den Ziegelsteinen als Hebel und Keil hievte ich den Herd langsam vom Boden. Es war eine beinahe unlösbare Aufgabe. Sobald es mir gelungen war, den Herd mit dem Wagenheber etwas in die Höhe zu bringen, und ich im Begriff war, mit dem Fuß den Stein unterzuschieben, rutschte mir das Ding wieder weg. Schließlich nahm ich den umgestürzten Tisch
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