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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Lichts selbst zu sein schien. Aber das Licht
hatte keinen Geruch – oder doch? Wann hatte er je eine
derart bedrückend reine Luft gerochen? Herrgott, diese
Kopfschmerzen.
    Am äußersten Rand eines langen, rosaroten Streifens
am Himmel erschien ein Luftwagen.
    Robbie stand da, eine Hand an der Tür seines eigenen
Wagens, und beobachtete ihn. Der andere Wagen schien schwarz zu
sein, und seine Silhouette zeichnete sich gegen das Licht ab.
Während er ihn noch beobachtete, verschwand er hinter einem
hohen Gebirgskamm. Eine plötzliche Erinnerung aus einem
früheren Leben blitzte auf: etwas Schwarzes, dessen
Silhouette sich vor dem Mond abzeichnete. Eine Fledermaus? Ein
Flugzeug? Oder nur ein primitives Bild von einer Hexe, wie es
Kinder an Halloween zu zeichnen pflegten? Er konnte sich nicht
erinnern. Er sah die schwarze Silhouette vor dem Mond, aber es
war eine freischwebende Erinnerung, die an kein bestimmtes Leben
gebunden war, eine Erinnerung, die er zum zweitenmal hatte, ohne
sie ein erstes Mal gehabt zu haben. So sollte das
Karnie-Gedächtnis aber nicht arbeiten. Das hatten sie ihm
erklärt. Sie hatten es ihm versprochen. Sie hatten es gesagt.
    Robbie schüttelte den Kopf, so heftig er konnte. Helle
Lichtblitze, so schmerzhaft wie Elektroschocks, zuckten über
die Innenseite seiner Lider. Er schrie auf, fiel in den Wagen und
sackte auf dem Sitz zusammen.
    Der schwarze Wagen tauchte am anderen Ende des Gebirgskamms
wieder auf. Er flog in methodischen Zickzacklinien über das
Land zwischen diesem Grat und dem nächsten. Auf der Suche.
Nach ihm.
    Hatton. Das war die einzige Möglichkeit. Robbie hatte
damit gerechnet, daß Hatton die Luftwagenvermietung in
Rawlins ausfindig machen würde; er hatte seinen eigenen
Ausweis vorlegen und seine Kontonummer angeben müssen, weil
die Luftwagenvermietung über einen Retina-Scanner
verfügte – aber woher, zum Teufel, hatte Hatton
gewußt, wohin er an diesem Morgen geflogen war? Der
Luftwagen mußte elektronische Spuren hinterlassen, von
denen Robbie nichts gewußt hatte, eine Art Peilsignal oder
Kontrollpunkt-System. Und Hatton mußte seine Gorillas in
Denver, Cheyenne oder sogar in Rawlins selbst alarmiert haben
– was alles erheblich mehr über die Reichweite von
Hattons Beziehungen aussagte, als Robbie vermutet hatte.
    Absonderlicherweise ermutigte ihn das. Er richtete sich im
Fahrersitz auf und verdrängte die Lichtbänder, die sich
durch sein Gehirn schlängelten. Hatton war gut, Hatton hatte
Beziehungen, Hatton war ein großes Tier. Und Hatton
machte Jagd auf ihn.
    Robbie lachte leise. Sofort zuckten die Lichtblitze wieder
hinter seinen Augen auf und brachten Erinnerungen mit sich, an
denen keine Leben hingen: der Sturzflug eines Papageis durch
smaragdgrüne Bäume, eine verschlossene schwarze
Metallschachtel, eine kniende alte Frau, die Tuch auf die Steine
an einem Fluß schlug, ein Mann, der ein Netz über hin
und her schießende silberne Fische warf. Nichts davon ergab
einen Sinn. Robbie grunzte vor Anstrengung, sie zu ignorieren,
und versuchte nachzudenken.
    Hattons Wagen konnte keine Signale empfangen, die direkt von
seinem kamen, sonst würden sie nicht so intensiv nach ihm
suchen. Seine Route mußte irgendwie zu einem zentralen
Datennetz übermittelt und dann von Hattons Genies gekauft
oder geklaut werden. Falls der Luftwagen ein Peilsignal abgab,
konnte es wahrscheinlich erst von einer gewissen Höhe an
empfangen werden. Falls er andererseits registriert wurde, sobald
er im Radius eines Kontrollpunkts durchkam, dann hatte er die
besten Chancen, jeden Kontrollpunkt zu meiden, wenn er sich an
die ziemlich menschenleeren Gebiete nördlich des
landwirtschaftlich stark erschlossenen Sweetwater Basin und
östlich der Touristengebiete beim Green River hielt. Wenn er
den Luftwagen also unter die nahen Bäume zog und die
Dunkelheit abwartete, konnte er im Tiefflug den leeren
Bergstraßen folgen und zwischen den Kämmen hindurch zu
einem Motel irgendwo nördlich von Sweetwater fliegen.
    Der schwarze Wagen gab eine Stunde später auf, ging auf
große Höhe und raste schnurstracks nach Süden
davon. Robbie wartete noch eine halbe Stunde. Die Sonne war kaum
untergegangen, da begann es schon kalt zu werden, aber er
schaltete die Heizung nicht ein, zum Teil, um Treibstoff zu
sparen, zum Teil auch wegen der Kälte selbst. Sie befreite
seinen Kopf von den Bildern. Ein bißchen.
    Ein schwarzer Labrador-Welpe

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